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Suite Florian Süssmayrs Gemälde im temporären Lovelace-Hotel in München sind Grund, sich an Kunst im Hotel zu erinnernEin Umschlagplatz für Kunst

Die Brasserie La Rotonde im Negresco Hotel in Nizza Foto: Nick Hannes/laif

VonBrigitte Werneburg

Große Lust auf ungewöhnliche Baulichkeiten und deren oft nur temporäre Nutzung kennzeichnet die Kunstszene. Interessanterweise zieht nun das Hotelgewerbe nach. Avanciert das Hotel also zum Kunstprojekt? Das wäre nicht ganz neu. Allerdings waren es bislang die Künstler, die das Hotel zu ihrem Werk erklärten, als besonderen Ort, dessen Geschäftsgrundlage temporäre Nutzung heißt.

1965, im Zuge des erweiterten Kunstbegriffs, von Happening und Pop-Art, funktionierte etwa der Schweizer Künstler Daniel Spoerri sein Zimmer im Chelsea Hotel in New York zum Atelier um. Zuvor hatte er schon in seiner Pariser Herberge, dem Hotel Carcassonne, die alltäglichen Dinge auf dem Tisch wie das gebrauchte Geschirr und die Reste des üppigen Frühstücks in sogenannte Fallenbilder, also dreidimensionales Stillleben überführt.

Als Allen Ruppersberg fragte, „wie man außerhalb des Ateliers und jenseits der Herstellung von Objekten an die Dinge herangehen“ kann, führte das zu „Al’s Grand Hotel“. Vom 7. Mai bis zum 12. Juni 1971 konnten die Gäste sieben Zimmer in einem zweistöckigen Haus, 7175 Sunset Boulevard, Los Angeles, buchen, die der Künstler je thematisch individuell gestaltet hatte, sei es als „Jesus Room“ oder unvermeidlich als „Bridal Suite“. Im gleichen Jahr eröffnete der italienische Künstler Alighiero Boetti das „One Hotel“ in Kabul, das er 1977 aufgrund der sich zuspitzenden wirtschaftlichen und politischen Situation in Afghanistan wieder schließen musste.

Zu dieser Zeit entspannte sich in China gerade die politische Lage. Die Kulturrevolution war vorbei und es entwickelte sich eine junge Kunstszene. In Ermangelung von Galerien wurde das Hotel in den 1980er Jahren ein wichtiger Umschlagplatz für zeitgenössische chinesische Kunst und Fotografie.

Dass das eine oder andere Werk eines heute hoch gehandelten Künstlers oder einer bekannten Fotografin im Hotel verblieb, ist anzunehmen. Kunstschätze bergen viele Häuser. Berühmt ist das Four Seasons in Florenz, das in dem Ende des 15. Jahrhunderts erbauten Palazzo Della Gherardesca untergekommen ist, dessen Skulpturenschmuck aus dem 16. Jahrhundert und Fresken aus dem 17. Jahrhundert kunsthistorische Studien motivierten. Gleich eine Museumsausstellung wurde dem Hotel Louis C. Jacob in Altona ausgerichtet. Seine rund 500 Werke umfassende Kunstsammlung, die in der Lobby, den Salons und den Suiten zu bewundern ist, zeigt allesamt Werke mit Hamburg-Motiven. Highlight ist die vom Hotelgast Max Liebermann 1902/03 in Öl gemalte Lindenterrasse des Hotels am Elbuferhang.

Das Naheliegende malt auch der Münchner Künstler Florian Süssmayr. Der Rechnungsblock der Bedienung eines Gasthauses, das, wie am Brauereiwappen sichtbar, Paulaner ausschenkt, prangt nun als großformatiges Ölgemälde im Schlafzimmer der Paulaner-Suite des Ende August eröffneten Lovelace-Hotels in München. Auch in den anderen 30 Hotelzimmern, deren wahrhaft luxuriöse Deckenhöhe von 4 Metern sich dem Umstand verdankt, dass das Gebäude des Lovelace in der Kardinal Faulhaber-Straße 1 ursprünglich die königliche Filialbank beherbergte, findet sich Kunst von Florian Süssmayr an den Wänden. Und zwar jeweils als raumhoch tapezierter Schwarzweißdruck.

Der 1963 geborene Maler, Ex-Punk-Gitarrist, DJ und experimentelle Fotograf bringt so Rom-Blicke ins Zimmer oder den auf einen Marshall-Verstärker, der freilich meist ein abstraktes metallenes Schattenspiel ist. Anderswo bauscht sich scheinbar vor der Wand ein weißer Spitzenstore, den man auf die 1970er Jahre datiert, und im nächsten Zimmer schaut der Gast in raumhohes Bambusdickicht.

Zimmer und Werke

Hotels: Mehr Infos zu den im Text erwähnten Hotels: The Lovelace, München, www.the­lovelace.com; Louis C. Jacob, Hamburg, hotel-jacob.de; Four Seasons, Florenz, www.fourseasons.com/florence.

Weitere Orte: Erwähnenswert ist noch das vom Streetart-Künstler Banksy gemeinsam mit Sami Musa und Dominique Pétrin in der 182 Caritas Street in Bethlehem eröffnete Walled Off Hotel, walledoffhotel.com/rooms.html. Zwischen documenta 14 und Skulptur Projekte Münster ist Kunst auch hier zu finden: Gräflicher Park Grand Resort, www.graeflicher-park.de/park/kultur-im-park.html. Für das in Bad Driburg gelegene Hotel mit seinem 64 Hektar großen historischen Landschaftspark hat der Bild­hauer Michael Sailstorfers im Irrgarten einen neuen Aussichtsturm geschaffen. Der Gartenkünstler Piet Oudolf, der die High Line in New York gestaltete, fügte einen seiner berühmten Stauden- und Gräsergarten in das Gelände ein.

Auf eine ganz eigene, unverwechselbare Weise bringt Süssmayr den banalen und größtenteils Münchner Alltag in die sehr urban und cool eingerichteten Hotelzimmer, zu deren Ausstattung auch ein wohlsortiertes Bücherregal gehört. Dabei erschöpft sich dieser Alltag − vom Künstler fragmentiert, abstrahiert und collagiert ins fotografische oder in Öl gemalte Bild gebannt − nicht im Dokumentarischen, sondern erweist sich als abgründig, anspielungsreich und ambivalent. Ihre daher potenziell dichte Narration bei gleichzeitig größter Abstraktion erhebt denn auch Süssmayrs Hotelbilder über bloßes Design.

Wobei auch das ziemlich vertrackt ist, im Fall des Lovelace. Das Zwischennutzungsprojekt mit zweijähriger Laufzeit in bester Lage mitten in der Münchner Altstadt ist wirklich so etwas wie ein Kunstprojekt. Dieses Mal allerdings von Seiten der Betreiber, darunter der Pacha-Club-Eigner Michi Kern, die Kunsthistorikerin Elisabeth Kieser und der Architekt Gregor Wöltje, die ihr Pop-up-Hotelexperiment, ein Happening nennen.

Denn der klassische Hotelbetrieb macht nur einen Teil des Lovelace aus, das mit seinen Club-Nights, Partys, Konzerten, Ausstellungen den Status eines offenen, städtischen Hotspots anstrebt und mit seinen Diskussionsveranstaltungen und Lesungen auch dem nebenan gelegenen Literaturhaus Konkurrenz machen möchte.

Es könnte klappen: Die frühere Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank, die Kern, Kieser und Co. 2014 in das Buchhandlung, Co-Working Space und Coffee Shop vereinende „Lost Weekend“ verwandelten, hat sich längst als Treffpunkt und spannender kultureller Veranstaltungsort etabliert.

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