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Nach der Entführung nach VietnamHanois Mann im Bamf

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entlässt einen vietnamesischen Mitarbeiter. Er hat die Entführung seines Landsmanns geleugnet.

Nicht nur die militärische Disziplin ist in Vietnam streng, auch die Partei wird hart geführt Foto: reuters

Berlin taz | Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat am Wochenende das Arbeitsverhältnis mit einem langjährigen vietnamesischstämmigen Mitarbeiter seiner Außenstelle Jena-Hermsdorf „umgehend beendet“. Das teilt Bundesamtssprecher Christoph Sander der taz mit.

Wie die taz berichtet hatte, hat der Mitarbeiter H. Ngoc T. in Artikeln für vietnamesische Zeitungen und in sozialen Netzwerken den in Berlin entführten vietnamesischen Expolitiker Trinh Xuan Thanh verhöhnt. Dessen Entführung leugnete er schlichtweg. Außerdem beriet er die vietnamesische Parteiführung im diplomatischen Konflikt mit der Bundesregierung. Nun hat das Bamf die Konsequenzen gezogen.

Am 9. August, zwei Tage nachdem die taz das Bamf auf die umfangreichen vietnamesischsprachigen Veröffentlichungen ihres Mitarbeiters aufmerksam gemacht hatte, wurde H. Ngoc T. vom Dienst suspendiert. Sein Dienstcomputer wurde untersucht, ob er möglicherweise Daten des entführten Expolitikers an den vietnamesischen Geheimdienst weitergegeben haben könnte.

Dieser Verdacht hat sich allerdings nicht erhärtet. „Es gibt keinen Anfangsverdacht gegen den ehemaligen Bamf-Mitarbeiter“, sagt eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft der taz.

Den Grund für die Kündigung wollte Christoph Sander vom Bamf der taz aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht nennen. Infrage kämen eine mangelnde Treue gegenüber der Bundesrepublik und die Verletzung der Neutralitätspflicht. Dazu sind Mitarbeiter im öffentlichen Dienst verpflichtet.

Für Verleumdungen bekannt

Es wäre aber auch denkbar, dass er in anderen Zusammenhängen Dienstgeheimnisse verraten haben könnte. Als Mitarbeiter im Bamf hatte H. Ngoc T. Zugang zu allen Asylakten sowie zum Ausländerzentralregister.

H. Ngoc T. hatte Zugang zu Asylakten sowie zum Ausländerzentralregister

Auch früher schon hatte H. Ngoc T. in Artikeln für Medien in Vietnam Dissidenten kriminalisiert, die Hanoier Regierung angestachelt, gegen sie vorzugehen und sich abfällig über deutsche Politiker geäußert, die sich für Dissidenten einsetzen. Dabei erweckte er den Eindruck, deutsche Kritiker an Menschenrechtsverletzungen seien unbedeutende Einzelpersonen.

Mittlerweile bemüht der einstige Vietnamkriegsteilnehmer auf seiner Facebook-Seite Vergleiche seiner jetzigen Situation mit militärischen Ereignissen und prophezeit: „Es wird einen 30. April geben.“ Am 30. April 1975 siegte Nord- über Südvietnam.

Unterdessen sitzt der nach Hanoi entführte Trinh Xuan Thanh weiter in Haft. Seine Familie hat zwar vietnamesische Anwälte mit seiner Verteidigung beauftragt. Seiner Berliner Anwältin Petra Schlagenhauf zufolge wurde ihnen jedoch noch kein Zugang zu ihrem Mandanten gewährt.

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1 Kommentar

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  • Hübsches Foto. So was kommt von so was, habe ich gedacht beim Betrachten. Wenn die oberste Heeresleitung bestimmt, dass der Soldat sich nicht rühren darf, muss sie selbst zum Taschentuch greifen, wenn die Nase läuft. Bevor dem werten Staatsgast beim Abschreiten der Ehrenformation übel wird und sich unter Umständen nicht mehr zu kittende diplomatische Risse ergeben aus der nachfolgenden Reierei.

     

    Zum Textinhalt: Dass H. Ngoc T. die vietnamesische Parteiführung im diplomatischen Konflikt mit der Bundesregierung beraten hat, ist mir entgangen. Zuletzt hieß es in der taz, der Mann hätte seine Meinung ins Internet geschrieben. Marina Mai tut das auch. Genau wie ich. (Ich sag nur: Meinungsfreiheit.) Marina Mai mag einen Beratungsanspruch haben. Sie kriegt ja ein Honorar. Ich habe keinen und kriege nix. Von wem sich die Bundesregierung in dieser Sache lieber beraten lässt, entzieht sich meiner Kenntnis.

     

    Wenn Marina Mai lange Weile hat, könnte sie mal für die taz recherchieren, welche Bamf-Mitarbeiter, sagen wir, schon mal im Internet geleugnet haben, dass Agent Orange Missbildungen verursacht hat bei vietnamesischen Kindern. Ich möchte fast wetten, der eine oder andere ist dabei. Schließlich leugnen ja die USA ebenfalls beharrlich. Und müssen die es nicht wissen?

     

    Merke: Kein Arbeitgeber von der Größe des Bamf hat alle seine Beschäftigten jederzeit unter Kontrolle. Erste, wenn das auffällt, weil die Zeitung drüber schreibt, wird reagiert. Auch, wenn es keinen strafrechtlich relevanten „Anfangsverdacht“ gibt, wird der vermeintliche „Nestbeschmutzer“ gefeuert, damit nicht mal der Schatten eines Verdachts auf seinen Arbeitgeber fallen kann. Scheiß auf die Grundrechte.

     

    Image ist eben alles in diesem Land. Vor allem für Institutionen, deren Ruft so mies ist wie der des Bamf. Stichwort: Neutralitätspflicht.

     

    Ach ja – was war gleich noch mal der eigentliche Hintergrund der ganzen Sache? Ich meine: Abgesehen davon, dass „der Vietkong“ noch immer das Böse schlechthin ist?