Hannovers einst berühmtestes Bier gibt’s jetzt wieder vom Fass: Neues aus der Heimat des Broyhan
Mundwerk
von Christoph Raffelt
Während das Bier in der Kultur der südlichen Bundesländer fest verankert ist und auch die Düsseldorfer und Kölner ihre Bierstile pflegen, sind die Biere des Nordens im Laufe der Zeit fast ausgestorben. Dabei waren Bremen, Hamburg, Einbeck und Hannover in den Blütezeiten der Hanse die Biermetropolen Europas. Allein in dem kleinen Ort Einbeck gab es zu Beginn des 17. Jahrhunderts 742 einzelne Brauer.
Ähnlich war es in Hamburg, und auch in Hannover wurde in großem Stil gebraut. Schließlich galt Bier als flüssiges Brot und war im Gegensatz zum damals verfügbaren Wasser sauber und weitgehend keimfrei. Die große Zeit Hannovers als Bierstadt begann mit Cord Broyhan. Der stammte aus Stöcken bei Hannover und hatte sein Handwerk in Hamburg gelernt. Doch das Hamburger dunkelbraune Bier schmeckte ihm nicht. Er wollte ein helleres, experimentierte lange und fand schließlich 1526 seinen eigenen Bierstil. Das Broyhan war so erfolgreich, dass es der Stadt Hannover zu einem Wirtschaftswunder verhalf.
Das Besondere an dem Bier war, dass es hell und trotzdem stabil war, sodass es im Gegensatz zu vielen anderen Bieren dieser Zeit exportiert werden konnte. Mit der Industrialisierung der Produktionsprozesse verschwand dieser einst so revolutionäre Bierstil allerdings im 19. Jahrhundert.
Christoph und Stephan Digwa haben das Broyhan jedoch jetzt nach ebenfalls jahrelangem Experimentieren und Suchen in historischen Quellen wiederbelebt. Das war gar nicht so einfach; denn Cord Broyhan hatte kein verlässliches Rezept hinterlassen. Neben einem Drittel Weizen- und zwei Drittel Gerstenmalz finden sich im historischen wie im aktuellen Broyhan Nelken, Zimt, Galgant, Koriander und Veilchenwurzeln.
Wie viele historischen Biere, man denke nur an die Berliner Weiße oder an die Gose, ist das Broyhan ein Sauerbier. Und Sauerbiere liegen beim Craftbeer-Publikum stark im Trend. Sie sind nicht nur aromatisch, sondern auch besonders frisch. Die Digwa-Brüder schenken ihr Broyhan und weitere handwerkliche Biere im Gutshof Rethmar bei Hannover aus. Die Flaschenabfüllung folgt im Herbst.
Christoph Raffelt schreibt seit 2007 über Wein, Bier und handwerklich gemachte Produkte –vor allem in seinem Magazin originalverkorkt.de.
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