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Actionfilm „Baby Driver“Reifen quietschen im Rhythmus

Edgar Wrights Spielfilm „Baby Driver“ überzeugt mit einer präzisen Verquickung von Soundtrack, Rhythmus und Action.

Fahren ist für ihn keine bloße Fortbewegung: Musiknerd Baby (Ansel Elgort) mit Bats (Jamie Foxx) Foto: Sony

Edgar Wright ist ein Regisseur, der aufs Detail achtet. Seine „Cornetto“-Trilogie zum Beispiel, wie die drei Genrefilmparodien „Shaun of the Dead“, „Hot Fuzz“ und „The World’s End“ von den Fans genannt werden, bezieht ihren Namen aus den Eissorten, die leitmotivisch in den einzelnen Filmen vorkommen. Das rote Erdbeer-Cornetto korrespondiert mit dem Blut des Zombiefilms, das Blau des Cornetto „Classic“ mit den Uniformen des Buddy-Krimis und das Grün des Mint-Choc-Chips mit den Aliens in der Science-Fiction.

So absichtsvoll albern diese Filme auch waren, belegte diese Liebe zum bedeutungsvollen Detail den Ernst des Filmemachers. In „Baby Driver“ nun lässt Wright die Comedy hinter sich und führt seine Detailversessenheit in stylish-coole Dimensionen, wie man sie ihm kaum zugetraut hätte.

Wie um seine Abkehr vom Wit­zige-­Dialoge-Schreiben deutlich zu machen, vergehen in „Baby Driver“ fast zehn Minuten, bevor die ersten Sätze gesprochen werden. Ganze drei Songs des Soundtracks sind da schon gespielt, und das nicht etwa als Hintergrund für eine Handlung, sondern anders herum: Was geschah, passierte im präzis abgestimmten Rhythmus der Musik, die der Protagonist auf seinem iPod hört. Das klingt banal. Ist das nicht in jedem Musical so?

Aber erstens zeigen Musicals selten einen Raubüberfall mit anschließender Autoverfolgungsjagd, zweitens hebt Wright nicht die Realitätsillusion durch tanzende Statisten auf und drittens ist die Musik so erlesen wie abgedreht.

Der Film

„Baby Driver“. Regie: Edgar Wright. Mit Ansel Elgort, Lily James u. a. USA/Großbritannien 2017, 113 Min.

Zu den Klängen von „Bellbottoms“ der Jon Spencer Blues Explosion beobachtet der von Ansel Elgort gespielte „Baby“ als Fluchtautofahrer seine Verbrecherkollegen, die gerade eine Bank ausrauben, und wie von Zauberhand fügen sich ihre Handlungen an präzisen Stellen in den Rhythmus der Musik. Genauso später, wenn Baby auf die Tube drückt und mit waghalsigen Rückwärtsgang-Manövern der Verfolgung durch die Polizei entkommt. Es ist, als habe Wright die gesamte Action einschließlich der Highway-Auffahrt eigens für diesen Song choreografiert.

Das „Mixtape“ ist sein Gestaltungsprinzip

Musik, das macht auch die Titelsequenz klar, in der Baby zu „Harlem Shuffle“ Kaffee holt, ist mehr als nur das Leitmotiv dieses Films; das „Mixtape“ ist sein Gestaltungsprinzip. Elgorts „Baby“ wird als Musikfanatiker vorgestellt, aber seine iPod-Obsession hat viele Gründe: Seit er als Kind mit seinen Eltern in einen Autounfall geraten sei, leide er an Tinnitus, erklärt etwa Gangster-Boss Doc (Kevin Spacey) einem misstrauischen Mittäter.

Wenig später folgt Baby der jungen Diner-Angestellten Debora (Lily James), weil sie singt, wie es an selbiger Stelle seine Mutter einst getan hat. In der Wohnung, die er mit seinem stummen Pflegevater (CJ Jones) teilt, montiert er mit altmodischem Equipment eigene Sprech-Pop-Collagen.

Warum macht jemand mit so erfüllenden Hobbys bei Bankrauben mit? Wie es Kevin Spacey in voller Spaceyhaftigkeit als Doc erklärt: Baby ist ihm was schuldig. Und wie immer in solchen Filmen gibt es nach der Begleichung der Schuld nur noch diesen einen letzten Job, zu dem Baby nicht Nein sagen kann.

Absolut sehenswert

Der Plot mit all seinen Referenzen an die Kinogeschichte ist allerdings das Langweiligste an „Baby Driver“. Was Wrights Film dagegen absolut sehenswert macht, ist die Energie, die er erzeugt mit seiner präzisen Verquickung von Soundtrack, Rhythmus und Action.

Die mäßig markanten Dia­loge und die flachen Figuren, zu denen auch ein dämonischer Jon Hamm gehört, tragen auf ihre Weise dazu bei, dass man sich ganz auf die Inszenierung konzentrieren kann. Auf die pure Kinolust, die entsteht, wenn ein quietschender Reifen den rhythmischen Fluss eines Popsongs unterstreicht und ein Auto einem lebendigen Tier gleich das Weite sucht.

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