Konkurrenz durch Dumpingpreise: Der Ostseetunnel wird versenkt
Dänische Bahn revidiert Prognose für Güterzüge auf der geplanten Trasse zwischen Lolland und Fehmarn. Damit wackeln der EU-Zuschuss und die Finanzkalkulation.
„Dänemark arbeitet gegen Europa“, sagt Malte Siegert, Fehmarnbelt-Experte des Naturschutzbundes (Nabu). Denn das kleine Königreich im Norden, das den Tunnel angeblich aus eigener Kraft und ohne deutsches Geld finanzieren will, fördert den Warentransport mit LKWs auf der Straße statt mit Zügen auf der Schiene.
Von ursprünglich 74 täglichen Güterzügen zwischen Kopenhagen und Hamburg, von denen im bisherigen Verkehrskonzept die Rede ist, verbleibt mit 17 nur noch ein Viertel. Nur mit den Mauteinnahmen von LKWs und PKWs können die enormen Baukosten – wenn überhaupt – über etwa 36 Jahre amortisiert werden, nicht aus den geringen Durchleitungsgebühren der Züge.
Gleichzeitig aber hat die staatliche dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S einen Zuschuss der EU in Höhe von 1,4 Milliarden Euro in ihre Wirtschaftlichkeitsberechnung einkalkuliert. Diese Gelder aus dem Topf für transeuropäische Netze (TEN) sind aber ausdrücklich vorgesehen für die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. „From road to rail“ heißt das EU-Motto.
Die Feste Fehmarnbeltquerung (FFBQ) besteht aus drei Teilen: einem Straßen- und Schienentunnel zwischen den Inseln Lolland und Fehmarn sowie dem Ausbau der Anschlüsse in Dänemark und Schleswig-Holstein zwischen Fehmarn und Lübeck.
Die Kosten für alles zusammen werden derzeit auf 11,5 Milliarden Euro geschätzt.
Der Tunnel besteht aus 89 an Land vorgefertigten Elementen. Diese sollen in einen Graben im Meeresboden gesenkt werden. Er wird knapp 18 Kilometer lang, 60 Meter breit und 16 Meter tief.
Die Kostenschätzung allein für den Tunnel ist von 5,5 Milliarden Euro vor einigen Jahren auf aktuell 7,4 Milliarden Euro gestiegen.
Die Hinterlandanbindung in Dänemark dürfte etwa 1,2 Milliarden Euro kosten, die auf deutscher Seite zwischen Fehmarn und Lübeck bis zu drei Milliarden Euro.
„Die dänische Transportpolitik verdreht die europäischen Ziele im Verkehrssektor“, sagt Malte Siegert. Kopenhagen halte einerseits die Hand auf und sabotiere zugleich die Ökologisierung der Verkehre – das sei „ein unverantwortliches Finanz-Harakiri zulasten des dänischen Steuerzahlers und auf Kosten von Natur und Umwelt“, kritisiert Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.
Zuschüsse legitim?
Dieser Verdacht ist inzwischen auch in der EU-Chefetage aufgekommen. Seit voriger Woche prüft der Rechnungshof der Europäischen Union in Luxemburg die Frage, ob Zuschüsse für den Bau der Fehmarnbeltquerung legitim sind. „Die nehmen das jetzt richtig unter die Lupe“, sagt Bettina Hagedorn (SPD), Bundestagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein und im Haushaltsausschuss des Bundestages zuständig für Verkehrsprojekte. Die Förderung von Schienenverkehr, der gar nicht stattfinde, „ist der Knackpunkt für die Kalkulation“, sagt Hagedorn.
Weder Femern A/S noch die Deutsche Bahn, zuständig für den Ausbau der Schienenstrecke zwischen Fehmarn und Lübeck, war am gestrigen Dienstag auf Anfrage der taz.nord zu weiteren Auskünften oder Bewertungen in der Lage.
Dabei wird das Projekt jetzt auch von der dänischen Regierung selbst sabotiert. Eine Senkung der Mautgebühren auf der Brücke über den Großen Belt um 25 Prozent verkündete jetzt Transportminister Ole Birk Olesen (Liberale) – notgedrungen allerdings. Denn es war ein Wahlversprechen aller Parteien an die regionale Bevölkerung, nach 20 Jahren die Gebühren auf dieser 1998 eröffneten zentralen Verbindung zwischen West- und Ost-Dänemark schrittweise zu senken. Eine Verbilligung der Tarife könnte die Brücke etwa 100 Kilometer nördlich des Fehmarnbelts aber auch als Alternative attraktiv machen.
Olesen erwartet denn auch eine Verlagerung von täglich 500 PKW-Fahrten zum Großen Belt, das sind zehn Prozent der aktuell 5.400 Autos auf der Fährlinie zwischen Puttgarden und Rødby. Alle dänischen Tageszeitungen und das Fachblatt Transportmagasinet bewerten dies denn auch als Schwächung des Fehmarnbeltprojekts. Der Verkehrsexperte der Sozialdemokraten im dänischen Parlament, Rasmus Prehn, spricht von „Sprengstoff“ für die Tunnelpläne. Und der ist bei Tunneln ja immer besonders heikel.
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