Chirurgische Veränderung der Intimzone: Der Trend zur Designervagina
Genital-OPs haben Konjunktur. Sie zeigen die Macht der Schönheitsnormen, haben manchmal aber auch gesundheitliche Gründe.
Dann verengt er Vaginas, spritzt Collagen in äußere Schamlippen, kürzt innere Labien. Er nennt das „Vaginalverjüngung“ und „Schamlippenkorrekturen“. Rippmann ist plastischer Chirurg. Schräg gegenüber vom Gendarmenmarkt in Berlin, zwischen einem edlen Designerladen und einer gesetzlichen Krankenkasse betreibt er zusammen mit einem Kollegen eine Privatpraxis mit dem klangvollen Namen „Metropolitan Aesthetics“. Die Intimchirurgie, ein normaler Bereich in der medizinischen Ausbildung, ist prominenter geworden, seit Frauen sich untenrum rasieren. „Dadurch wird offensichtlich, was früher durch die Intimbehaarung verdeckt war“, sagt Rippmann.
Damit meint der Schönheitschirurg, dass bei vielen Frauen die kleinen Schamlippen ein wenig länger sind als die äußeren und herausgucken. Für die meisten Frauen ist das kein Problem, sagt der Arzt. „Manche finden das aber nicht schön, fühlen sich damit unwohl und lassen es angleichen.“
In sozialen Netzwerken werden ästhetische Genitaloperationen, die als „Muschi-OPs“ teilweise verlacht werden, kontrovers diskutiert. Für die einen sind solche Eingriffe legitim, weil sie den Betroffenen mehr Selbstsicherheit und Zufriedenheit und damit mehr Lebensqualität verschaffen. Andere zeigen sich genervt: Hat die Frauenbewegung nicht gegen den Schönheitswahn gekämpft und dafür, dass jede so sein darf, wie sie ist? Das Ärzteblatt bezeichnete solche OPs als „gefährlichen Trend“, mitunter ist schon mal die Rede von der „Designervagina“. Chirurg Rippmann sagt: „Es gibt keine Norm.“
Kosten zwischen 1.000 und 4.000 Euro
Wie viele Genitalkorrekturen in Deutschland durchgeführt werden, wird statistisch nicht erfasst. 2005 schrieb das Ärzteblatt von rund 1.000 Schamlippenstraffungen in Deutschland pro Jahr – mit einer unbekannten Dunkelziffer. Heute dürften es weitaus mehr sein, mittlerweile gelten sie als gewöhnliche Eingriffe. Die ersten ästhetischen Vaginalkorrekturen sollen laut Heribert Kentenich, Gynäkologe und Chef der DRK-Frauenklinik in Berlin, vor gut 20 Jahren in den Vereinigten Staaten vorgenommen worden sein. Es folgten brasilianische Stripperinnen, die als erste argumentiert haben sollen, eine formschöne Vulva sei notwendig für ihren Job. „Die Brust-OP wurde von der Vaginal-OP abgelöst“, sagt Rippmann.
Ein Eingriff, der zwischen einer und drei Stunden dauert, kostet zwischen 1.000 und 4.000 Euro – je nachdem, ob weggeschnitten, weggelasert oder aufgepolstert wird. Das müssen die Frauen selbst bezahlen, die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) übernehmen die Kosten für solche Eingriffe nicht, sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. In sehr wenigen Fällen würden Ausnahmen gemacht. „Das sind Einzelfallentscheidungen, wenn ein echtes gesundheitliches Problem vorliegt.“ Wenn Frauen etwa extreme Schmerzen haben oder ihr Leben beeinträchtigt wäre.
Zahlreiche Privatversicherte hingegen erhalten das Geld von ihrer Kasse zurück. Etwa 70 Prozent der Patientinnen von Sigrid Hülsbergen-Krüger bekommen die Kosten von ihrer Privatversicherung erstattet. Hülsbergen-Krüger betreibt in Hamburg eine Praxis für Plastische Chirurgie. Sie legt Ohren an, verkleinert und vergrößert Brüste, saugt Fett ab, strafft Gesichter und Augenlider – und lasert Genitalien. Rund 100 Mal im Jahr behandelt Hülsbergen-Krüger nach eigener Aussage Frauen an den Geschlechtsteilen. Sie lasert die „Stellen“ statt mit dem Skalpell zu schneiden, das sei „berührungsfrei und punktgenau“.
Minderjährige fragen an
Trotzdem sind Intimeingriffe nicht risikofrei. Mitunter kann es zu starken Blutungen kommen, zu Infektionen, Verwachsungen und Narben an der feinen Schamlippenhaut, Nervenschädigungen und Taubheitsgefühlen, die sich auf den Sex auswirken.
Zu Hülsbergen-Krüger kommen Frauen aus ganz Deutschland und jeden Alters. Die Jüngeren, viele Anfang 20, meist aus ästhetischen Gründen. Andere klagen über Wundreiben, Entzündungen und Blutungen im Genitalbereich, häufig beim Radfahren, Joggen, Reiten. Auch beim Sex würden zu große innere Schamlippen stören.
Die Nachfragen minderjähriger Mädchen nach Intimkorrekturen in ihrer Praxis haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Hülsbergen-Krüger operiert grundsätzlich nur Volljährige, obwohl das Gesetz Genital-OPs bei Minderjährigen nicht grundsätzlich ausschließt.
Der nächste Trend ist schon in Sicht
Mitunter rät die Ärztin von Intimeingriffen ab. Wie in einem Fall einer sehr dünnen jungen Frau, die untenrum minimale Ungleichheiten beklagte. Die Medizinerin erkannte bei der Patientin eine Anorexie, eine Magersucht, und lehnte es ab, sie zu behandeln. Stattdessen gab sie der Patientin den Hinweis, über eine Psychotherapie nachzudenken, mit der sie ihr Körperbild überdenken könne.
Ältere Frauen, die sich bei Hülsbergen-Krüger in Hamburg und bei Rippmann in Berlin behandeln lassen, klagen teilweise über schwerwiegende Beschwerden: Durch altersbedingte hormonelle Veränderungen oder nach Mehrfachgeburten sei ihre Vagina stark gedehnt. Die Folge können ein mangelndes sexuelles Reizempfinden sein, Probleme beim Wasserlassen, Unannehmlichkeiten bei Bewegungen. Eine Vaginalstraffung soll das lindern, sagt Rippmann. Dafür wird in der Regel Eigenfett aus dem Bauch der Patientin in deren Scheidenwände gespritzt.
Während Frauen über Brust-OPs mittlerweile offen sprechen, sind Intimeingriffe nach wie vor ein Tabu, stellt der Intimchirurg Rippmann fest. „Darüber redet keine.“ Ungeachtet dessen macht der Arzt bereits den nächsten Trend aus: die G-Punkt-Stimulierung für einen stärkeren sexuellen Reiz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?