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Umwelt gibt Gas

Ökogas Die Begriffe sind verwirrend: Biogas, Ökogas, klimaneutrales Gas. Aber was ist eigentlich der Unterschied zum normalen Erdgas – und merkt man das beim Kochen?

von Sebastian Krüger

„Es gibt zwei Gruppen von Ökogas“, erklärt Ralph Kampwirth vom Hamburger Energieversorger Licht-Blick. Das geläufigste davon sei klimaneutrales Gas. „Es ist wie beim Fliegen“, sagt er. Für einen Aufpreis solle der CO2-Ausstoß neutralisiert werden. „Der Flug beziehungsweise das Gas selbst werden dadurch natürlich nicht klimafreundlich“, so Kampwirth. An anderer Stelle werde jedoch in umweltfreundliche Projekte investiert, häufig in Schwellenländern. KundInnen, die klimaneutrales Gas beziehen, würden so Gegenmaßnahmen zum Klimawandel finanzieren. Im Falle von Licht-Blick seien dies zum Beispiel umweltschonende Kocheinrichtungen in Ghana.

„Daneben gibt es Gasprodukte, die mit Biomethangas versetzt sind“, so Kampwirth. Biomethan entstehe durch organische Reststoffe wie etwa Grünabfälle. Es gelte als klimaneutral, da es beim Verbrennen nur das CO2 freisetzt, was vorher durch die organischen Stoffe gebunden wurde. Nachhaltig sei es, da hier Reststoffe genutzt werden, die sowieso anfallen.

„Biogas ist bei der Herstellung jedoch etwa doppelt so teuer wie Erdgas“, sagt er. Daher sein die meisten Produkte auch nur zu einem geringen Prozentsatz mit Biomethan versetzt. „Kaum jemand wäre bereit, so viel Geld für Gas zu zahlen“, so Kampwirth, „da muss man einen Kompromiss finden.“ Steigt der Anteil, werde das Gas teurer. „Damit erreichen wir weniger Kunden“, so Kampwirth. Nur wenige würden ein Gasprodukt mit einem hohen Anteil an Biomethan annehmen. „Eine möglichst hohe Kundenanzahl ist letztlich auch besser für die Umwelt.“

Licht-Blick vertreibt Gas mit einem Biomethan-Anteil von 5 Prozent und plant nach eigenen Angaben, den Anteil an Biomethan langfristig zu erhöhen. Das Unternehmen versorgt etwa 86.000 KundInnen mit Ökogas-Produkten. 72.000 davon beziehen Biogas.

Laut einer aktuellen Umfrage haben Ende 2015 413.000 Haushalte bundesweit Ökogas bezogen. Der Anteil von klimaneu­tralem Ökogas lag bei 307.000. 106.000 Haushalte bezogen ein Gasprodukt mit Biomethan-Anteil.

Für VerbraucherInnen mache es keinen Unterschied, welches Gas sie in Ofen und Herd nutzen. „Im Haushalt ist es völlig egal“, so Kampwirth., „das beigemischte Biomethan hat Erdgasqualität.“

„Biogas kann konventionelles Gas nicht einfach so ersetzen“, sagt Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace, „dafür reicht die Fläche nicht, sonst könnten wir uns nicht mehr ernähren.“ Auch er sieht, vom deutlich höheren Preis abgesehen, keinen Unterschied für VerbraucherInnen. „Aber auch aus technischen Gründen kann man nicht unbegrenzt Methan ins Erdgasnetz einspeisen“, sagt er.

Gülle aus Tierhaltung falle sowieso an und hinterlasse keinen ökologischen Fußabdruck. Zwar biete sie relativ wenig Energie, sei aber im Hinblick auf das Klima die beste Option, so Hof­stetter. „Außer man fährt die Gülle quer durch Deutschland“, fügt er hinzu.

Je größer die Menge an solchen Abfällen, desto sinnvoller seien sie zu verwerten. „Allerdings ist der Bedarf in den kalten Wintermonaten besonders hoch“, sagt er. Nur große Tierhaltungsanlagen würden dafür genügend Gülle produzieren. „So eine Form von Tierhaltung wiederum ist dann aber aus anderen Gründen nicht wünschenswert“, findet Hofstetter. Für ihn gibt es in der Frage keine klare Antwort. „Am Erdgas kann man natürlich kritisieren, aus welchen politischen Systemen es kommt“, sagt er.

„Am Erdgas kann man kritisieren, aus welchen politischen Systemen es kommt“

Martin Hofstetter, Greenpeace

Wesernetz, ein Tochterunternehmen des Bremer Energieversorgers SWB, führt aktuell eine umfangreiche Gasumstellung in Bremen und Umgebung durch. Das bisher genutzte L-Gas (Low-Caloric-Gas) soll von dem energiereicheren H-Gas (High-Caloric-Gas) abgelöst werden. „L-Gas wurde bisher auch aus den Niederlanden importiert“, erklärt SWB-Pressesprecher Ale­xander Jewtuschenko. „Nachdem die Erdgasförderung dort mehrere Erdbeben verursacht hatte, beschloss die niederländische Regierung, die Gasexporte zu reduzieren“, sagt er. Zusätzlich sei die Förderung von L-Gas besonders in Niedersachsen kontinuierlich gesunken. „Das H-Gas kommt aus Norwegen und Russland“, sagt Jewtuschenko. Steigende Kosten hätten VerbraucherInnen nicht zu befürchten, da die Preise von L-Gas und H-Gas identisch seien.

Die Umstellung betreffe alle Haushalte und Unternehmen mit Erdgasnutzung in Bremen, Stuhr, Weyhe und Thedinghausen. Nach Angabe von SWB werden etwa 170.000 einzelne Umstellungen durchgeführt. Der Wechsel auf H-Gas wird nach ersten Schätzungen 2021 vollständig abgeschlossen sein.

Bei einigen Geräten sei eine Umstellung aus technischen Gründen nicht möglich. Besonders sehr alte Geräte seien davon betroffen. „Das wird etwa 1,5 Prozent aller Geräte ausmachen“, schätzt Jewtuschenko mit Blick auf andere Anpassungsgebiete. In diesem Fall ist der/die EigentümerIn in der Pflicht, die Kosten für einen Geräteaustausch zu tragen. Das heißt: Müssen Hausanlagen ausgetauscht werden, übernehmen VermieterInnen die Kosten. Betrifft es Geräte, die MieterInnen selbst eingebaut haben, müssen diese die Kosten tragen.

Ganz freiwillig ist die Umstellung nicht: Unangepasste Geräte werden als unzulässig und unsicher angesehen. Denen, die eine Umstellung ihrer Geräte verweigern, dreht SWB den Gashahn zu.

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