: Ein Spiel wie ein Gewitter
CL-Quali Die TSG Hoffenheim ist gegen überragende Liverpooler völlig überfordert. Gegen Klopps offensiven Überfallfußball findet das Nagelsmann-Team keine Lösungen und scheidet mit 2:4 aus. Jetzt kann die Mannschaft in der Europa League international reifen
aus Liverpool Tobias Schächter
Die letzten 25 Minuten des großen Spiels am Mittwochabend in Liverpool verbrachte Julian Nagelsmann sitzend auf der Ersatzbank. Fast wie ein Zuschauer. Die TSG Hoffenheim lag 1:4 beim FC Liverpool zurück. Irgendwann, erklärte TSG-Trainer Nagelsmann später, müsse man eben einsehen, dass der Gegner besser sei und ein Spiel entschieden. Rumfuchteln bringe dann nichts mehr, das entspräche auch nicht seinem Naturell. Aber Julian Nagelsmann war dann ganz bei sich, als er sich und seinen Spielern nach dem Ausflug in die große Fußballwelt empfahl: „Das heute sollte Ansporn sein, sich zu entwickeln und irgendwann mit diesen Weltklassespielern mithalten zu können.“
Am Mittwoch waren diese Nagelsmänner dafür noch nicht bereit. Der Champions-League-Traum der TSG Hoffenheim ist nach dem 1:2 im Hinspiel am Mittwochabend nach einem noch schmeichelhaften 2:4 beim FC Liverpool geplatzt. Aber für die Badener und ihren Anhang geht es ja trotzdem weiter im Europapokal. Am Freitag in Monaco werden die Gruppen für die Europa-League ausgelost, an der der Tabellenvierte der letzten Bundesligasaison nach dem Aus in den Champions-League-Playoffs nun teilnehmen wird.
Auch deshalb ließen sich die 2.500 Hoffenheimer Fans nach dem Abpfiff in Liverpool die Laune nicht verderben. „Europapokal, Europapokal“, sangen sie minutenlang wie nach einem Sieg. Vielleicht, so Nagelsmann, sei es ja nicht schlecht, nun auf kleinerer Ebene „international reifen zu können“ und auf Mannschaften zu treffen, die „gut zu uns passen“.
Beim ersten Pflichtspiel außerhalb der Landesgrenzen war für den Europapokalnovizen an der berühmten Anfield Road einfach alles eine Nummer zu groß: das Stadion, der Gegner, die Aufgabe. Schon nach 21 Minuten lag die TSG mit 0:3 hoffnungslos hinten. Zerknirscht attestierte Nagelsmann seinen Spielern „Überemotionalität“ und ein „total kopfloses Anrennen“ mit „Stückwerk offensiv wie defensiv“.
Die großartige Atmosphäre im legendären Stadion wirkte offensichtlich einschüchternd auf seine Spieler, für den Trainer aber waren andere Dinge entscheidend, er meinte: „Wenn wir so auf dem Platz des FC Zuzenhausen gespielt hätten, hätten wir auch 4:2 verloren.“ In Zuzenhausen steht das Trainingszentrum der TSG, in das der Hoffenheimer Tross am Donnerstag dann doch ziemlich betdöppelt zurückkehrte, um sich auf die Bundesligapartie am Samstag in Leverkusen vorzubereiten.
Julian Nagelsmann
In Nordengland lernten die Nagelsmänner ziemlich schmerzhaft ihre Grenzen kennen. In der Anfangsphase rannten die Spieler wild ins Verderben und wurden von den blitzschnellen Liverpoolern gnadenlos bestraft. Nach dem 3:0 durch den zweiten Treffer des deutschen Nationalspielers Emre Can (21.) und einer genialen Kombination schrie Liverpools deutscher Trainer Jürgen Klopp am Spielfeldrand begeistert: „Das ist Fußball!“ Es war ja auch eine Schau, was die Hochgeschwindigkeitskünstler Sadio Mane, Roberto Firmino und Mohamed Salah boten. Er sei dennoch immer noch überzeugt, den richtigen Plan gehabt zu haben, um Liverpools Blitzoffensive zu stoppen, meinte Nagelsmann hinterher. Wenn schon keine Propeller und Motoren erlaubt seien gegen diese schnellen Angreifer, so der 30-Jährige, dann müsse man die Herausforderung eben taktisch lösen. Aber das ist dem Trainer und seinen Spielern nicht gelungen, sechs Gegentore in zwei Spielen sprechen eine klare Sprache.
Und hätte Nagelsmann nicht besser in beiden Begegnungen gegen Liverpools Turbo-Linksaußen Mane rechts in der Dreierabwehrkette dem schnellen Jeremy Toljan vertrauen sollen statt den vergleichsweise gemächlichen Ermin Bicakcic im Hinspiel und Havard Nordtveit (im Rückspiel nach 24 Minuten ausgewechselt)? Zur Entlastung der TSG muss allerdings auch konstatiert werden: Gegen diese überragende Offensive der „Reds“ werden noch viele andere Mannschaften überfordert sein. In Liverpool konnten die wie betäubt wirkenden Spieler Nagelsmanns Pläne schlicht nicht umsetzten, Mittelstürmer Sandro Wagner formulierte drastisch: „Wir waren heute kollektiv scheiße. Wir haben uns in der ersten Halbzeit nicht an den Plan gehalten.“ Und trotz der Tore von Mark Uth zum 1:3 (28.) und Wagner zum 2:4 (79.) blieb Torwart Oliver Baumann bester Hoffenheimer, der ein höheres Ergebnis mehrfach verhinderte.
Taktisch überraschte LFC-Coach Klopp die Badener zudem mit einem offensiven Überfallfußball vom Anpfiff weg. Viele hätten wohl auf Abwarten gesetzt nach dem Vorsprung aus dem Hinspiel, erklärte Klopp: „Aber wir haben es anders gemacht und nicht auf Konter gewartet.“ Der Start des Spiels, jubelte Klopp, sei dann wie ein Gewitter gewesen. Und so tat dieses Spiel den Gästen auch deshalb so weh, weil sie auf allen Ebenen fast wie eine Zurechtweisung der forschen Ankündigungen der Hoffenheimer nach dem Hinspiel wirkte. Selten war eine Elf weiter davon entfernt, in Liverpool Geschichte zu schrei_ben, als die TSG. Und so hat weiter der Satz Bestand: An der Anfield Road hat noch nie eine deutsche Mannschaft gewonnen.
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