piwik no script img

Im Paradies der Elektromobile

VERKEHR Eine üppige Förderung und verkehrsrechtliche Vorteile im Alltag haben dazu geführt, dass jedes dritte Neufahrzeug in Norwegen ein E-Auto ist. Auch Schiffe und Fähren werden mit Elektromotor gebaut

Aus Oslo Richard Rother

Akershus festning hat es in sich, im wahrsten Sinne der Wortes. Oben auf dem Hügel die Festung, die jahrhundertelang den Hafen von Oslo schützte, und unten im Berg eine Tiefgarage, die helfen soll, das Weltklima zu schützen. Denn in diese Höhlengarage, einen Katzensprung von der quirligen City der norwegischen Hauptstadt entfernt, dürfen nur Elektroautos. Doch damit nicht genug: Die 86 Parkplätze, die seit Juni zugänglich sind, sind für die Fahrzeugbesitzer umsonst, und den Strom aus erneuerbaren Quellen, den sie dort tanken, gibt es gratis. Zuvor müssen sie sich per App anmelden.

Die Motoren sind leise

Kein Wunder, dass an diesem Werktag im Sommer die Parkhöhle im Fels reichlich gefüllt ist. Hier stehen die in Norwegen angesagten E-Auto-Modelle namhafter Hersteller: Tesla-Modelle, der E-Golf, der Nissan Leaf, der VW up, der Kia Soul, der BMWi3, der Renault Zoe. Die Felswände der Höhle sind weiß gestrichen, es ist angenehm kühl. Und leise. Während in normalen Tiefgaragen das Getucker der Motoren laut schallt, kann man sich hier in Zimmerlautstärke weiter unterhalten, wenn jemand sein Auto startet. So auch, als ein junges Paar in seinen Kia Soul steigt: Das Lauteste ist noch das Klappern der Türen, dann springt leise die Lüftung an, und fast lautlos rollt das Auto die Ausfahrt hinauf. Modern, leise, sauber – die Individualmobilität von morgen?

Norwegen ist bei der Elektromobilität anderen Ländern weit voraus. Nirgendwo auf der Welt gibt es, pro Kopf gerechnet, so viele Elektroautos, und nirgendwo ist ihr Marktanteil bei den Neuzulassungen so groß wie in dem skandinavischen Land. Etwa jedes dritte Neufahrzeug im vergangenen Jahr in Norwegen war ein E-Auto; die rein batteriebetriebenen Autos erreichten 16 Prozent Marktanteil, die Plug-in-Hybride 14 Prozent. Diese Entwicklung setzte sich auch in diesem Jahr fort; zuletzt waren im Juni in der Stadt Oslo 42 Prozent der Neufahrzeuge ein E-Auto.

Gab es im Jahr 2013 rund 20.000 E-Autos in ganz Norwegen, so wurde im März dieses Jahres die Marke von 150.000 durchbrochen. Angesichts von rund 2,6 Millionen Autos in Norwegen (bei 5,2 Millionen Einwohnern) ist das noch nicht viel, aber die Dynamik der letzten Jahre ist beachtlich.

Warum aber wurde Norwegen zum Vorreiter der E-Mobilität? Während China beispielsweise die E-Mobilität forciert, um die grassierende Luftverschmutzung in den Städten (das Stickoxid-Stuttgart wäre dort ein Luftkurort) in den Griff zu bekommen und der eigenen Autoindustrie zu helfen, gab es auch für Norwegen industriepolitische Gründe. Mit der Förderung der E-Autos verbanden die Skandinavier die Hoffnung, eine eigene E-Auto-Industrie aufbauen zu können – um langfristig die Abhängigkeit von Öl- und Gasexporten, die die Basis des norwegischen Wohlstands sind, zu reduzieren.

40 Prozent der Exporteinnahmen des Landes beruhen auf Öl und Gas, das anderswo verarbeitet oder verbrannt wird – und so das Weltklima schädigt. Wer nun den moralischen Zeigefinger gen Norden hebt, sollte wissen: Deutschland etwa bezieht zu einem Drittel seinen Erdgasbedarf aus Norwegen. Würden die Deutschen weniger heizen, wenn der skandinavische Lieferant aus Klima- und Umweltschutzgründen den Export fossiler Energien stoppte, oder würden sie mehr Gas aus Sibirien importieren?

Zwar scheiterte das Vorhaben Norwegens, den elektrischen Zweisitzer „Think“ zu etablieren – aber das reiche Land hielt an dem Ziel fest, den Verkehr zu elektrifizieren. Dafür sprechen auch aktuell Projekte, Schiffe und Fähren mit Elektromotor zu bauen, die dereinst exportiert werden könnten. Die Elektrifizierung des Verkehrs hat nicht nur umwelt- und klimapolitische Vorteile, sie ist auch pragmatisch. „98 Prozent unserer Elektrizität ist erneuerbar“, sagt Ingvil Tybring-Gjedde, Staatssekretärin im Energie­ministerium. Davon seien 96 Prozent Wasserkraft, 2 Prozent Erdwärme und 2 Prozent Windkraft. Es sei zur Erreichung der Klimaziele sinnvoll, die Erneuerbaren mehr für den Verkehr zu nutzen.

Gerade Strom aus Wasserkraft hat Norwegen quasi im Überfluss. Knapp tausend Wasserkraftwerke, die stetig und leicht regulierbar Strom liefern, gibt es in den niederschlagsreichen Gebirgen mit ihren tiefen Tälern und Fjorden. Der Strom ist so günstig, dass die Norweger traditionell mit Elektroenergie heizen. Das wiederum hat den Vorteil, dass das Stromnetz leistungsstärker als anderswo ist – ein paar Autos oder sogar Nahverkehrsbusse, die aufgeladen werden, verlangen keine enormen Investitionen ins Netz. Würden alle Autos in Norwegen elektrisch betankt, würde der Stromverbrauch nur um 5 Prozent steigen – aber entsprechend Benzin und Diesel ein­sparen.

Dennoch braucht es auch in Norwegen eine massive finanzielle und verkehrspolitische Förderung, um die E-Autos an den Mann und die Frau zu bringen. „Auf die Politik kommt es an“, sagt Petter Haugneland, Sprecher des Verbandes der E-Auto-Nutzer. Die staatliche Unterstützung sei der Schlüssel zum Erfolg. Und die hat es in sich: Wer ein E-Auto kauft, zahlt keine Anschaffungs- und keine Mehrwertsteuer. Die Folge: Ein Elektroauto ist nicht teurer als ein vergleichbarer Benziner oder Diesel, teilweise sogar günstiger; und beim „Tanken“ ist Strom deutlich günstiger als fossiler Kraftstoff. Ermäßigungen gibt es auch bei der Kfz-Steuer und beim Leasing. Zudem sind Autofähren und städtische Parkplätze für E-Autos umsonst, die auch Busspuren benutzen dürfen.

„Die ökonomischen Vorteile sind der wichtigste Grund für die Nutzer, ein E-Auto zu kaufen“, sagt Haugneland. Dies hätten Umfragen ergeben. 80 Prozent der E-Auto-Fahrer würden wieder ein E-Auto kaufen, 10 Prozent würden sich einen Plug-in-Hybrid zulegen. Für manche Modelle wie den Opel Ampera gebe es derzeit Wartelisten.

Dass E-Autos oft als Zweitwagen in den Familien genutzt werden – 600.000 norwegische Haushalte haben zwei Autos –, findet Haugneland nicht schlimm. „Es ist besser, wenn der notwendige Zweitwagen ein E-Auto ist, als wenn es einer mit Verbrennungsmotor wäre.“ Im weitläufigen und dünn besiedelten Norwegen bräuchten viele Menschen ein Auto, weil sich öffentlicher Verkehr nicht lohne. Eine Forderung an Industrie und Politik hat Haugneland aber: „Das Aufladen muss so einfach werden wie das herkömmliche Tanken.“

Klotzen, nicht kleckern

Zur Erreichung der Klimaziele sollen erneuerbare Ener­gien für den Verkehr genutzt werden

Auch beim Ausbau der Lade-Infrastruktur klotzt Norwegen. Dabei geht es nicht nur um öffentliche Zapfsäulen, sondern auch um die im häuslichen Umfeld der Nutzer. Die sind schließlich essenziell, weil die Autofahrer am besten nachts die leeren Batterien aufladen. Mittlerweile ist in Norwegen gesetzlich geregelt, dass Besitzer von Eigentumswohnungen nicht von anderen Eigentümern daran gehindert werden dürfen, Ladeeinrichtungen einzubauen.

Wer längere Reisen unternimmt, ist unterwegs auf Ladestationen angewiesen, an denen er flott tanken kann. Die norwegische Regierung hat mittlerweile ein Programm aufgelegt, mit dem die Errichtung von Schnellladesäulen alle 50 Kilometer an allen Hauptstraßen des Landes finanziert werden soll. Dass ein solches Vorhaben, das in diesem Jahr beendet werden soll, nicht umsonst ist, wissen auch die E-Auto-Fahrer. Sie sind bereit, für Strom an Schnellladesäulen bis zu drei Mal so viel zu bezahlen als zu Hause.

Der Zeitvorteil durch Nutzung von Schnellladesäulen liegt auf der Hand. „Für die Strecke von Oslo nach Stockholm brauche ich nur zwei Stopps mit insgesamt 30 Minuten Ladezeit“, sagt Jan Haugen Ihle, der einen flotten Tesla fährt. Ihle ist Manager der finnischen Firma Fortum, die Ladestationen herstellt und betreibt, auch in Norwegen.

Prinzipiell gebe es zwei Abrechnungsmöglichkeiten, so Ihle: per Kilowattstunde oder per Minute. Beides habe Vor- und Nachteile. Das Bezahlen per Leistung sei für den Kunden günstiger, blockiere aber die Ladestation länger; die Abrechnung nach Zeit sei für den Kunden teurer, sorge aber dafür, dass die Ladestation schneller wieder frei werde. Ihle hat aber nicht nur Oslo und Norwegen im Blick. „Die Erfahrungen, die wir hier machen, sind nützlich, wenn wir unsere Ladestationen nach China oder in die USA verkaufen wollen.“

Die Mobilität der Welt hat auch Frederic Hauge im Sinn, der die Umweltschutzorganisation Bellona gründete. 1989 hat Hauge erstmals ein Elektroauto nach Norwegen importiert; nun sieht er die Früchte seines Engagements für die Elektromobilität. „Wir in Norwegen treiben den Markt voran, und darauf sind wir stolz.“ Schon im Jahr 2021 werde das E-Auto wettbewerbsfähig gegenüber dem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor sein. Seine Vision: „Das Elektroauto und der Solarstrom sind ein perfektes Paar für die Zukunft.“

Die Pressereise nach Oslo wurde organisiert und gefördert von der Königlich Norwegischen Botschaft zu Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen