piwik no script img

Kolumne Nullen und EinsenBitcoin, Schmidtcoin!

Die einen werden gerade megareich mit Kryptowährungen. Die anderen schauen zu und zaudern. Sie sollten sich nicht grämen!

Ein Bitcoinmodell aus der Kohlenstoffwelt Foto: reuters

A ls ich Ende Februar kurzfristig ein Kolumnenthema brauchte, fragte ich in meinem Facebook-Freundeskreis rum. Unter den Vorschlägen: „Bitcoin – allen Unkenrufen zum Trotze – auf Allzeithoch“, mit Link zu einem entsprechenden Artikel: Bitcoin jetzt über 1.000 Dollar.

Ja, genau, liebe Leser*innen, die Sie genau wie ich immer mal denken „Der Bitcoin steht bei X! Wäre ich doch bei (Bruchteil von X) mal eingestiegen! Aber jetzt ist es zu spät, die Blase wird sicherlich bald platzen und dann ist alles weg.“ Der verf***** Drecksbitcoin hat allein in den letzten fünfeinhalb Monaten seinen Wert mehr als vervierfacht.

Aktuell ist der Bitcoin nämlich wieder auf einem Allzeithoch, deutlich über 4.000 Dollar. Die meisten von uns hätten also noch locker auf den Zug aufspringen können. Wir wären jetzt reich. Nicht so reich wie diejenigen, die beim Preis von 1 Cent gekauft haben und dabeigeblieben sind. Aber immerhin.

Hätte, hätte, Blockchain. Man muss es einfach einsehen: Es gibt diese Leute, die in den frühen nuller Jahren Apple-Aktien und eine Wohnung in Berlin gekauft haben. Die aus dem Madagaskar-Urlaub drei Kilo Vanille mitbringen, lange vor der großen Vanille-Hausse. Oder die in der Berliner Volksbühne vor dem großen Kehraus der Castorf-Ära schnell noch die kostenlosen Streichholzschachteln mit der Frakturschrift und dem Räuberrad abgegriffen haben, um sie nun für 30 Euro das Stück auf eBay als „Sammlerstücke“ anzubieten.

Und es gibt eben die anderen. Die Chancenverpasser und Zauderkönige, die immer nur zweifelnd zuschauen und sich überfordert fühlen – aktuell vom Wirrwarr der über 800 anderen, zum Teil nur Centbruchstücke teuren Digitalwährungen, von denen sie natürlich von keiner auch nur für 5 Euro Anteile kaufen. Dabei hat Angst noch niemanden reich gemacht, also, abgesehen von Versicherungsfirmen, Wachdiensten und Blitzableiterherstellern.

Aber niemand muss sich Vorwürfe machen. Was der Bitcoin gerade veranstaltet, hätte als Versprechen vorab ungefähr so seriös geklungen wie die „Bis zu 2.500 Euro kann man vollautomatisch & ohne Erfahrung pro Woche verdienen“-Spammails. Und immerhin kauften die Zögerlichen auch keine der ebenfalls gehypten Aktien der Snapchat-Konzernmutter Snap. Die sind seit ihrem Börsenstart Anfang März dieses Jahres um über 50 Prozent gesunken.

Vielleicht würde Snapchat ja die Einführung der Snapcoin helfen; eine logische Fortentwicklung des „Sorbischen Euro“ aus dem Film „Weltverbesserungsmaßnahmen“ von 2005, in dem sich selbst zersetzende Geldscheine die Binnenwirtschaft in der Oberlausitz ankurbeln sollen.

Die Snapcoin wäre eine digitale Währung, die sich nach einer nicht näher genannten Zeitdauer eigenständig löscht und die vorher wie beim Schwarzer-Peter-Spiel möglichst schnell wegtransferiert werden muss. Oder auch: das perfekte Modespielzeug für die völlig überhitzte Cryptocurrency- und Daytrading-Welt. Wer das jetzt programmiert, wird reich. Versprochen!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Brake
wochentaz
Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Bitcoins entsprechen nicht einer normalen Währung, sondern einem Schneeballsystem. Da die Geldmenge technisch begrenzt ist, steigt der Wert bei einem Wachstum der Teilnehmerzahl an, was zu massiven Gewinnen bei denen füht, die schon von Anfang an dabei sind. Lassen sich keine Teilnehmer mehr finden und setzen sich dann die ersten Teilnehmer wieder ab, sinkt der Kurs massiv, was zu Panikverkäufen und weiterem Kursverfall führt. Bitcoins werden praktisch nicht zur Zahlung verwendet, sondern zur Spekulation. Den Letzten beißen die Hunde.

     

    Im Gegensatz zum in diesem Artikel genannten "Sorbischen Euro", dessen Grundidee ist, dass sein Wert im Laufe der Zeit sinkt, sind Bitcoins von Anfang an darauf angelegt, im Wert zu steigen. Ich halte "Satoshi Nakamoto", den Schöpfer der Bitcoins, der inzwischen Milliardär sein dürfte, für einen der cleversten Betrüger, die es je gab.

    • @PPaul:

      Nun das damit spekuliert wird ist natürlich eine Überraschung beim anwender Mensch. Das Prinzip der Währung ist trotzdem unseren Zahlungsmitteln überlegen eben weil es nicht einfach gedruckt wird.

      Und mal nachgedacht: für den aktuellen Zahlungsverkehr ist der momentane Wert relativ egal.

      • @FriedrichH:

        Nachtrag: Selbstverständlich wird mit allem spekuliert. Das ist auch gar nicht das Bemerkenswerte. Bemerkenswert ist aber, dass Bitcoins praktisch nur zur Spekulation genutzt werden. Das ist ein großer Unterschied.

      • @FriedrichH:

        @Friedrichh Auch unser Geld wird nicht einfach gedruckt, sondern nach Regeln, die ganz gut funktionieren. Ich sehe bei Ihnen kein Argument, das eine Überlegenheit von Bitcoins gegenüber unserer Währung belegen würde.

        Da Sie Ihr Gehalt vermutlich nicht in Bitcoins bekommen, müssen Sie für die Teilnahme am Zahlungsverkehr Bitcoins kaufen. Daher ist der momentane Wert auch für den Zahlungsverkehr nicht egal. Allerdings ist bei der extremen Volatilität von Bitcoins tatsächlich der momentane Wert relativ egal. Wichtiger ist hier der Erwartungswert, und der schwankt extrem. Damit fallen Bitcoins als seriöses Zahlungsmittel praktisch aus.

        • 8G
          85198 (Profil gelöscht)
          @PPaul:

          Der Euro wird an den Banken nach dem Keystroke-Prinzip erzeugt, also einfach per Enterdruck. Die Regel ist, das darüber nicht geredet wird. Die Bundesbank hat es erst dieses Jahr zugegeben, obwohl dieses Prinzip schon seit 1983 existiert. https://monde-diplomatique.de/artikel/!5430639

           

          Die Stabilität bezieht der Euro aus dem Vertrauen. Dazu wird u.a. eine Scheininflationsrate berechnet, die aber nicht den Wertverfall der Währung wiederspiegelt, sondern nur die Teuerungsrate in einem willkürlich zusammengestellten Warenkorb. Dabei werden aber sowohl Luxusprodukte als auch die Produkte ohne Produktionskosten, die Banken und Spekulationsfirmen erzeugen, also Kredite und Aktienderivate, d.h. Wettscheine nicht mit eingerechnet.

           

          Sonst würde klar, dass es eigentlich längst eine Hyperinflation gibt, schon seit Jahrzehnten, die aber die wenigsten mitbekommen, weil es dermaßen viele neue Produkte ohne Produktionskosten gibt, von denen sie nichts recht wissen, weil sie sich keine Aktien, keine Derivate und keine Kredite leisten können.

           

          Die meisten Menschen machen sich darüber keine Gedanken und akzeptieren einen Warenkorb bei der Inflationsberechnung, der nicht, wie es eigentlich sein müsste, zu mehr als 99 Prozent aus Finanzprodukten ohne Produktionskosten besteht und nur zu einem Promillebetrag aus Konsumgütern und Dienstleistungen.

           

          Kein Wunder also, dass sich Ökonom*innen scheuen, das Wunder der Wertschöpfung aus dem Nichts im Keystroke-Kapitalismus beim Namen zu nennen. Sie haben keinen Ersatz für das jetzige System, zumindest aber keine vorzeigbare Idee, wie es zu transformieren wäre. Also Augen zu und durch.

  • und die essenz von der geschicht....?