piwik no script img

Kommentar Caster SemenyaGendertribunal übelster Sorte

Kommentar von Jan Feddersen

Olympiasiegerin Caster Semenya ist spitze. Aber die ZDF-Reporter verlieren sich in Fraulichkeits-Klischees, als lebte man noch in den Fünfzigerjahren.

Caster Semenya nach dem Gewinn der Bronzemedaille über 1.500 Meter in London Foto: ap

D onnerstag: die 800-Meter-Vorläufe der Frauen, in denen sich entscheidet, wer am Sonntagabend, beim Finale der Leichtathletik-WM an den Start geht. Das ZDF überträgt an diesem Abend, am Mikrofon sitzen Peter Leissl und Marc Windgassen, Leichtathletikexperten. Mit dabei in einem der Rennen: die Südafri­ka­ne­rin Caster Semenya, voriges Jahr in Rio und 2012 in London bei den Olympischen Spielen Siegerin auf dieser Strecke.

Aber hört man den ZDF-Männern zu, geht es mit ihr nicht mit rechten Dingen zu. So machen sie aus einem Rennen mit der doppelten Olympiasiegerin – die kürzlich hier in London bei der WM Dritte über 1.500 Meter wurde – ein Gendertribunal der übelsten Sorte. Sie sehe nicht aus wie eine Frau, hieß es, mehrfach darauf hinweisend, so ihre Worte: Sie sehen es ja selbst.

Ähnliche Formulierungen fanden sie auch in einem späteren Rennen bei einer kenianischen Läuferin: Auch sie, hieß es, entspreche physisch nicht den üblichen Kriterien dessen, was eine Frau ist. Was bei uns, den Zuschauer*innen, hängen blieb: Da laufen humanoide Mogelpackungen mit.

In der Tat ist die Läuferin Caster Semenya nicht gerade von zierlicher Statur, sie sieht wie ein bulliger Schrank aus, ihr Laufstil erinnert eher ans Marschieren als an gazellenschlankes Fortbewegen. Mit anderen Worten: Läuferinnen, die die ZDF-Leute meinen, entsprechen nicht ihren Vorstellungen von weiblicher Grazilität, sie haben nicht diese austrainiert wirkende fettlose Leiblichkeit.

Die Physis Semenyas ist, das ist zweifellos, anders als die der meisten Frauen auf den leichtathletischen Mittelstrecken. Ihr Hormonstatus wurde vor Jahren, als man ihr erstmals attestierte, eigentlich ein Mann zu sein und keine Frau, als von der Norm ­abweichend bestimmt. Aber kann sie deshalb nicht trotzdem eine Frau sein? Der Fall Semenya und anderer hat die internationalen Sportinstitutionen vielfach beschäftigt.

Besondere physische Voraussetzungen

Einige Jahre galt sie als verdächtig, aber momentan liegt die Sache so, dass Semenya als ebenso weiblich gilt wie alle anderen ihrer Konkurrentinnen auch. Sie verfügt, so weist es die Rechtslage aus, über besondere physische Voraussetzungen, so wie anderen Sportler und Sportlerinnen in ihren Disziplinen auch: besonders klein gewachsene Turner, die größer gewachsenen gegenüber im Vorteil sind etwa. Jede Sportart bringt ihre Spe­zia­list*innen hervor.

Das ZDF aber klärt darüber nicht auf, sondern bedient die Klischees von Fraulichkeit, als lebte man in den Fünfzigerjahren und alle Sportlerinnen mögen bitte so aussehen, wie es die heterosexuelle Norm vorsieht: süß, adrett, ein wenig niedlich. Zuletzt waren solche Ressentiments wie die gegen Semenya in den sechziger Jahren zu hören, damals, als realsozialistische Sportler*innen nur als süße Turnerinnen gemocht wurden, nicht wenn sie Kugeln stießen oder Disken warfen, muskelbepackt und also wuchtig. (Dass damals oft Doping mit im Spiel war, ist ein anderes Thema, das nicht allein die Länder hinter den Eisernen Vorhängen betraf und betrifft.)

Die Kommentare aus London sind im Übrigen auch deshalb von anwidernder Klischeeseligkeit gewesen, weil Semenya, anders als diese Männer behaupten, offenbar keineswegs unter ihren Sportlerkolleg*innen unbeliebt ist. Man sah es in den TV-Aufnahmen: eine freundliche Frau, die fein lächelt und beim Handschlag nach dem Rennen mit den Rivalinnen keineswegs Missachtung erntete, sondern ebenso freundliche Gesten zurückbekam.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Viel Wind um Nichts.

  • Völlig korrekt wäre doch genderneutrale Sportveranstaltungen durchzusführen, bei denen alle starten dürfen. Da wären doch alle Forderungen nach Gleichberechtigung erfüllt. Dann müsst man auch keine ach so obsoleten Geschlechterdefinitionen durchführen.

  • Die aktuelle Rechtslage in Ehren halte ich es für falsch, die Diskussion über Sportlerinnen mit dem Hormonhaishalt UND der Physis eines Mannes zu unterdrücken. Es ist ja nicht so, als wären die Frauen, gegen die Semenya & Co. antreten, untalentierte Püppchen. Auch sie stammen im Zweifel aus Genpools, die ihnen ihre Leistungen erst ermöglichen, und sie trainieren nicht minder hart dafür. Aber dann kommt eine Semenya und rennt sie in Grund und Boden. Sie mag ja eine Nette sein, aber ob das fair ist, sollte zumindest diskutiert werden können, ohne dass ihre Unterstützer gleich wieder die Chauvi-Keule auspacken.

     

    Frauenwettbewerbe sind nunmal ein absichtlich geschaffenes Reservat, das es auch Frauen ermöglichen soll, auf Augenhöhe darum zu wetteifern, wer die Beste ist. Und wie bei anderen solchen Reservaten im Sport auch, z. Gewichtsklassen, braucht es harte Obergrenzen, um diese Augenhöhe zu gewährleisten. Semenya und andere Frauen sind da Grenzgänger. Das sieht man schon daran, dass sie in der Vergangenheit - nicht minder wissenschaftlich fundiert - auch schon mal die das biologische Qualifikationsmerkmal "Frau" aberkannt bekommen hat. Es sollte wenigstens möglich sein, darüber zu diskutieren, ob die aktuelle Grenze richtig gezogen ist.

     

    Problematisch ist auch, dass so eine Klassifizierung den Wettbewerb prägen kann. Nichts hindert Sportverbände, zukünftig Mädchen mit "normalem" Hormonhaushalt in der Förderung außen vor zu lassen und von vornherein nach hohem Testosteronspiegel zu sieben. Man darf sich nicht durch hochpublizierte und bewegende Geschichten wie die von Semenya davon ablenken lassen, dass es auch andere Schicksale gibt, deren Dramatik sich aber abseits der Kamera abspielt.

    • @Normalo:

      Danke, der bisher beste und (wissenschaftlich) objektivste Kommentar hier. Wir Menschen (oder besser gesagt die Gesellschaft) haben in der Masse noch nicht den intellektuellen Grad erreicht um die biologische/physische Komponente ganz neutral von soziologischen und politischen Aspekten zu trennen.

       

      Somit verfallen viele schnell in emotionale oder ideologische Verhaltensmuster bei solchen Themen. Ich finde ihren Vorschlag mit Hormonhaushalt, physischen Eigenschaften, etc... als sinnvoll. Man lässt ja auch z.B. im Boxen keinen Leicht- gegen einen Schwergewichtler antreten (oder höchstens nur als Spezialevent für Spendengala oder sonstiges).

       

      Hatten wir früher das Extrem des Biologismus oder Rassismus, entsteht heute durch die SJW/PC Bewegung ein ganz neues irrationales Extrem.

    • @Normalo:

      Das ist der Punkt. Danke.

    • @Normalo:

      genau das ist das Thema und die Antwort ist alles andere als leicht. Solange die Frau keine Hormone nimmt, sondern der Testostereonwert natürlich zustandekommt, kann man der Meinung sein, das sei ein natürlicher Effekt, den die Konkurrenz zu akzeptieren habe. Unter Gender-Gesichtspunkten könnte man aber auch in Frage stellen, ob sie noch eine Frau ist oder schon ein Zwischengeschlecht.

      • @Dr. McSchreck:

        Eigentlich hat aus meiner Sicht die (soziologische) Gendertheorie hier nichts verloren. Leistungssport hat eine ausreichend dominante physische Komponente, dass biologische Geschlechtsmerkmale den Ausschlag geben sollten.

         

        Ein denkbares - und im Wesentlichen der heutigen Praxis schon entsprechendes - Schema ist relativ einfach: Es gibt einen "offenen" Wettbewerb, in dem geschlechtsunabhängig jeder Mensch starten kann und daneben eine nach politischen Gesichtspunkten determinierte und abgegrenzte Anzahl von Wettbewerben für Menschen, die durch ihren Testosteronspiegel und andere biologische Faktoren gegen die besten Teilnehmer in der offenen Klasse (im Zweifel Männer) chancenlos sind. "Politisch" deshalb, weil die Sportverbände selbst entscheiden müssen wie stark sie ausdifferenzieren und wo sie die Grenzen setzen. Der Übergang in der Realität ist, wie das Beispiel Semenya zeigt, einigermaßen fließend, also ist die beste Lösung unweigerlich ein Kompromiss.

        Die einzige Alternative wäre ein Handicapsystem, wie es im Behindertensport eingesetzt wird. Die Frage ist nur, ob man sich mit sowas nicht die Zuschauerzahlen kaputtmachen und letztlich die Basis für Hochleistungssport insgesamt gefährden würde. Gerade die Leichtathletik hat es ja schon so nicht leicht...

  • Ich habe ja die Kommentare im Fernsehen nicht selbst gehört und weiß nur, was der Artikel darstellt.

     

    Aber ich verstehe die Anmerkungen so, dass es genau um Doping geht.

    Wenn Sportreporter fehlende Weiblichkeit kommentieren, geht es doch in der Regel um Doping, Hormoneinnahmen etc. Und damit um unfaires Verhalten beim Sport.

     

    Es traut sich nur kein Reporter offen zu sagen, dass da wohl gedopt wurde.

    • @rero:

      sie hat von der Natur ein für eine Frau untypisches hohes Maß an Testosteron. Die Leichtathletik hat Grenzwerte festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen, da liegt sie ohne Doping wohl häufiger drüber. Die Frage ist, ob man Menschen zwingen kann, ihren Hormonhaushalt künstlich zu verändern, um an Wettbewerben teilnehmen zu dürfen, sozusagen Anti-Doping, eine Art Bremse.

      • @Dr. McSchreck:

        Das wird schwierig, aber ein anderer Kommentator hat hier eine Art Punktesystem wie im Behindertensport oder wenn unterschiedliche Level/Niveaus dennoch einen interessanten Wettbewerb wünschen (Handicap beim Golf oder Vorgabe beim Go Brettspiel (teai)) und mit solchen Methoden einen Ausgleich suchen.

         

        Selbst die Umwelteinflüsse hat man ja nun z.B. beim Skispingen/Fliegen in die Bewertung einfliessen lassen.

  • Sie wird dem Frauensport enorm schaden

  • Beim Sport geht es um körperliche Überlegenheit. Diese Frau hat eine angeborene körperliche Überlegenheit. Genauso wie ein 2.20 Meter großer Mensch auch beim Basketball besser als ein 1.60 großer ist. Verstehe die Aufregung nicht

  • ich weiß nicht, ob es im TV erwähnt wurde, aber wegen unter anderem dieses Olympiasieges wurde ein "Hormongrenzwert" festgeschrieben, den man bei der Teilnahme an Frauenwettbewerben nicht überschreiten darf. Und Frauenwettbewerbe sind nun mal leichter zu gewinnen als Männerwettbewerbe, wenn man die freie Auswahl hätte - ein Mann, der einfach behauptet, er fühle sich als Frau, könnte sehr leicht Triumphe feiern.

     

    Es gibt wohl 3 Teilnehmerinnen, die Probleme haben, die Grenzwerte zu unterschreiten, die Verbände verlangen dann wohl eine Hormonbehandlung - man kann über die Frage streiten, ob das gerecht ist. Leute mit günstigem Körperbau kriegen ja auch keine Bremsen vorgeschrieben.

     

    Leider kann man aber Testosteron künstlich zufügen, so dass die Abgrenzung zum Doping recht schwer ist, das der Artikel am Rande erwähnt, das aber eben kein "anderes Thema" ist.

     

    Insgesamt kann man festhalten, dass der Artikel der Komplexität des Themas nicht gerecht wird, das viele Fragen aufwirft. Die Ansicht, es ging um Äußerlichkeiten, ist verfehlt, die Idee, jeder könne sich sein Geschlecht selbst aussuchen, kann im Sport bei getrennten Wettbewerben nicht gelten.

  • Wir haben es zufällig auch gesehen, aber ganz andere Rückschlüsse, als ein "Gendertribunal" geschlossen. Unabhängig von dem eventuellen Menschenbild der Kommentatoren, wirft die Klassifizierung einfach Fragen auf. Warum wurden Männer und Frauen Kategorien geschaffen? Weil es Unterschiede gibt. Wenn die verwischen durch entsprechende genetische Anlagen, dann sind vielleicht andere Kategorien sinnvoll, zB Testosteronkonzentration.

     

    Übrigens genauso wie bei der Länderfixierung, die mit der Einbürgerpraxis ad absurdum geführt wird.

     

    In ein paar Jahren werdenauch wieder andere Frau gewinnen können.

  • Wer sich dei heutige Sport-Scheiße im Fernsehn anguckt, ist selbst schuld.

     

    Da laufen ein paar Frauen 800m in einer Runde. Irgendeine kommt zuerst an und gewinnt das Rennen weil sie härter trainiert, besser gedopt oder mehr Hormone hat.

     

    Das ist doch so was von völlig Banane.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @A. Müllermilch:

      Sehe ich auch so. Sollen sie doch Männer und Frauen und alles, was sich irgendwo dazwischen definiert, zusammen Sport machen lassen. Dann gewinnen halt meistens die Männer, und das wäre dann auch wieder schlecht.

       

      Sport im Fernsehen, da schalte ich sofort um und ärgere mich zudem, wenn im ÖRF, dass meine Beiträge nicht nur für Silbereisen und Quizz-Shows, sondern auch noch für diesen blöden Sportzirkus ausgegeben werden, während man qualitativ Hochwertiges - auch im ÖRF (die privaten schaue ich eh nicht) suchen muss.

  • Danke, dass auf diese üble Berichterstattung hingewiesen wird. Die Zitate genügten aber.

     

    Ihre stumpfe Polemik ("...und alle Sportlerinnen mögen bitte so aussehen, wie es die heterosexuelle Norm vorsieht: süß, adrett, ein wenig niedlich.") hätten Sie sich sparen können.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @benevolens:

      Zumal das Aussehen sonstiger Sportlerinnen das ja ad absurdum führt. Wann haben Sportlerinnen je süß, adrett, und ein wenig niedlich ausgesehen? Vielleicht Nadia Comăneci. Das ist zumindest die einzige, die mir zu diesen Schlagwörtern einfällt.

      • @849 (Profil gelöscht):

        &

         

        Daß diese Sorte staatlich geförderten Kinderturnens - den Tatbestand -

        Schwere Körperverletzung § 226 StGB

        - in 'schland wider Art 2 I GG - zudem!

        Erfüllt. Aber auch nicht - kerr!

        (Der Stern - hatte in den 70ern dazu mal eine brutal bebilderte einschl.

        Rötgen-Aufn. - Serie am Start!

        Aber niemand hört den Schuß!

        Bis heute - grad auch wieder hier!) &

        Auch klar. JAF bleibt JAF.

        Ja&Je. Da mähtste nix.

        Normal.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @benevolens:

      Da kann ich nur zustimmen!

      Der von Ihnen zitierte Satz von Jan Feddersen passt hervorragend zu den Kommentaren ist ganz genauso männlich überheblich und völlig überflüssig.