piwik no script img

Niedersachsen Rot-Grün verliert die Mehrheit. Elke Twesten wechselt von den Grünen zur CDUWeil sieht schwarz

Bessere Zeiten: Elke Twesten und Stefan Weil Foto: Jörg Sarbach/dpa

Aus Hannover Andrea Scharpen

Der niedersächsische Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) hat möglichst rasche Neuwahlen angekündigt. Er halte es für unabdingbar, dass der Landtag zügig seine Selbstauflösung beschließe, sagte der SPD-Politiker am Freitag in einer denkbar knappen Erklärung.

Es gebe „keine andere In­stanz als den Wähler“, die über die Zusammensetzung des Parlaments entscheiden solle. Über seinen eigenen möglichen Rücktritt sagte der Nochministerpräsident, er werde „einer Intrige nicht weichen“. Als Termin für die Neuwahl favorisiert Weil den 24. September. An diesem Tag wird auch der neue Bundestag gewählt. Regulärer Wahltermin ist der 14. Januar 2018.

Durch den Seitenwechsel der Grünen-Abgeordneten Elke Twesten hat die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen schlagartig ihre 1-Stimmen-Mehrheit verloren. Twesten war am Freitagmittag vor die Mi­kro­fone und Kameras getreten und hatte nicht nur ihren Austritt aus Partei und Fraktion erklärt, sondern auch ihren Wechsel zur CDU. Da Rot-Grün nur eine 1-Stimmen-Mehrheit hatte, besitzt nun die Opposition die Mehrheit im Parlament.

Mit dem Austritt aus der Fraktion sinkt die Zahl der Grünen-Abgeordneten im Landtag auf 19. Damit kommen SPD und Grüne zusammen nur noch auf 68 Sitze. Die CDU stellt derzeit 54 Abgeordnete, die FDP hat 14 Sitze.

Twesten war seit 20 Jahren Mitglied der Grünen und saß fast zehn Jahre im Niedersächsischen Landtag. „Dieser Schritt fällt mir nicht leicht“, sagte sie. Er sei aber notwendig, da sie bei den Grünen nicht mehr ihre politische Zukunft sehe. Es habe einen „längeren Entfremdungsprozess“ von der Partei gegeben. Sie fühle sich nicht als Verräterin.

Letzter Auslöser ihres Austritts sei gewesen, dass sie in ihrem Wahlkreis Rotenburg/Wümme nicht wieder für die Landtagswahl als Kandidatin aufgestellt wurde. Die Landesgrünen fordern nun von Twesten, ein „Wahlergebnis, das demokratisch zustande gekommen ist, zu akzeptieren“. Die Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz sagt, sie erwarte, dass die 54-Jährige ihr Landtagsmandat zurückgibt.“

Das aber hat Twesten offenbar nicht vor. Stattdessen trat sie demonstrativ mit dem Frak­tions­vor­sitzenden der CDU, Björn Thümler, vor die Kameras. Dieser sagte: „Unsere Verfassung bietet mehrere Optionen. Diese Möglichkeiten müssen rechtlich sauber geprüft werden.“ Man werde in Ruhe alle Fragen erörtern, wenn sie rechtlich vernünftig geprüft seien. Die CDU-Fraktion werde voraussichtlich am Dienstag über ihr weiteres Vorgehen entscheiden. Thümler nannte den Schritt von Twesten „doch etwas kurios“. Er will zunächst abwarten.

„Ich werde einer Intrige nicht ­weichen“

Niedersachsens Noch- Ministerpräsident Stefan Weil (SPD)

Der Übertritt von Twesten werde am Dienstag wirksam. Alle damit verbundenen rechtlichen Fragen würden nun unverzüglich mit dem Landtagspräsidenten erörtert. Denn schon beim kommenden Landtagsplenum Mitte August wären CDU und FDP in der Mehrheit.

Der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Bernd Althusmann, sagte, dass sich die Frage nach einem Misstrauensvotum, an dessen Ende er Ministerpräsident sein könnte, derzeit nicht stelle. Er sei aber bereit, „Verantwortung für dieses Land zu übernehmen“.

Spekulationen darüber, dass Twesten ein Posten in seinem Schattenkabinett für den Wechsel zugesagt worden sei, widersprach Althusmann: „Es gab keine Zusagen.“ Im Übrigen habe er erstmals am Freitag vergangener Woche mit Twesten über deren Wechselabsichten gesprochen. „Angebote hat es keine gegeben.“ Die Landesliste der CDU ist bereits beschlossen. Es sei eine freie Entscheidung der Abgeordneten gewesen, zur CDU zu kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen