: Krieg mit Croissants
ORTSTERMIN Der MDR stellt Christian Ulmen und Nora Tschirner als neues „Tatort“-Ermittlerduo vor. Der aktuelle Höhepunkt im Kampf um möglichst große Namen
AUS BERLIN JÜRN KRUSE
Eigentlich ist ein Brunch im Stammhaus des Café Einstein das falsche Umfeld für diese Vorstellung. Diese „lockere Form“, wie sie MDR-Pressesprecher Walter Kehr nennt, die irgendwann in den 80ern oder 90ern erfunden wurde, damit Frauen an ihrem 40. Geburtstag schon vormittags trinken dürfen, ist viel zu harmlos. Auch das große „Wir sind eins“-Banner des Ersten wirkt deplatziert bei der Vorstellung des neuen Weimarer „Tatort“-Duos Christian Ulmen (37) und Nora Tschirner (31). Denn „eins“ sind die Landesrundfunkanstalten längst nicht mehr.
Sie überbieten sich mit ihren „Tatort“- und „Polizeiruf 110“-Kommissaren. Es herrscht Krieg. Und Ulmen und Tschirner sind die neuesten Geschütze des Mitteldeutschen Rundfunks.
Tschirners Motivation mitzuspielen? Sie kenne den „Tatort“ und „gucke ab und zu sehr, sehr gerne bestimmte Folgen“. Klingt nach einem Riesenfan der Reihe. Und Weimar? Davon sei sie auch ein „großer Fan“. Sie war schon zwei- bis dreimal da. Und Ulmen? Der ist noch heute fasziniert von Götz George als Schimanski. Auch wenn er den nie gesehen hat. Er musste immer ins Bett, wenn damals die „Tatort“-Melodie ertönte.
Dementsprechend simpel ist das Konzept des 2013 zu Weihnachten ausgestrahlten, zunächst einmaligen „Tatorts“. Es heißt: Ulmen und Tschirner, bestens bekannt von Kinoproduktionen wie „Herr Lehmann“ (Ulmen) oder „Keinohrhasen“ (Tschirner). Das Ganze ist ein Krieg, der mit Namen und Gesichtern geführt wird – und der MDR wollte auch endlich Stars präsentieren dürfen, nachdem 2010 der Hessische Rundfunk den Krieg um die bekanntesten Ermittler eröffnet hatte. Damals stellte der Sender Ulrich Tukur als neuen Kommissar in Wiesbaden vor, ein Schwergewicht unter den deutschen Fernsehschauspielern, und legte ein Jahr später mit Joachim Król und Nina Kunzendorf (Frankfurt) nach.
Das konnte der Bayerische Rundfunk natürlich nicht so stehen lassen und schickte 2011 Matthias Brandt als „Polizeiruf 110“-Ermittler auf Verbrecherjagd in München und Umland.
Zu viel für den Norddeutschen Rundfunk, der noch im selben Jahr Til Schweiger für den Hamburger „Tatort“ verpflichtete. Der Saarländische Rundfunk reagierte prompt und bestellte Devid Striesow zum Dienst in Saarbrücken ein. Der Konter des NDR ein paar Monate später: Wotan Wilke Möhring wurde im ganzen norddeutschen Raum zum Kommissar ernannt.
Auch der MDR hatte in diesem Kriegsgewirr einen Schuss abgegeben, doch war die Vorstellung des jungen Erfurter Ermittlerteams um Friedrich Mücke, Benjamin Kramme und Alina Levshin bei den lauten Artilleriegeschützen der anderen Landesrundfunkanstalten kaum zu vernehmen.
Welch Glück für den Sender, dass im Zuge der Ausschreibung für die Erfurter Ermittler auch eine andere Idee in Leipzig landete: Ein Weimarer „Tatort“ mit dem witzigen Christian Ulmen und der witzigen Nora Tschirner. „Wir brauchen fürs Erste dringend solche Angebote“, sagte der MDR-Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi zwischen Croissants und diesen dreieckigen Sandwiches, bei denen immer die Rinde abgeschnitten ist. Und Jana Brandt, die Fernsehfilm-Chefin der ostdeutschen Anstalt, ergänzte: „In den Zuschauerherzen ist Platz für viele Teams.“
In den Herzen vielleicht, aber nicht in den Köpfen. Selbst Krimi-Profis bekommen kaum noch alle Ermittler mit deren Einsatzgebieten auf die Reihe.
Immerhin bietet Christian Ulmen bei diesem Brunch das, was sich der MDR von ihm erhofft: Humor. Auf die Frage, wie seine Ermittlerrolle heißen werde, antwortete er nur: „Lessing.“ Und der Vorname? „Ich bin Herr Lessing und möchte auch so angesprochen werden.“ Es ginge ja schließlich im „Tatort“ um eine ernste Angelegenheit: „Es geht um Mord. Und da ist man nicht gleich per Du.“
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