Schlussphase des NSU-Prozesses: 373 Tage – und bald ein Ende?

Am Mittwoch tritt der NSU-Prozess mit den Plädoyers nach gut vier Jahren in seine Schlussphase. Diese dürfte aber auch noch Wochen dauern.

Gerichtssaal mit vielen Menschen

Irgendwo dahinten ist sie: Beate Zschäpe Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München im Januar Foto: dpa

BERLIN taz | Schon jetzt schreibt der NSU-Prozess Geschichte. Es war der 6. Mai 2013, als dieser im Münchner Oberlandesgericht eröffnet wurde – vor mehr als vier Jahren. Seitdem wurde 373 Tage verhandelt, wurden rund 800 Zeugen befragt und gut 30 Befangenheitsanträge gestellt. Allein Beate Zschäpe wird von fünf Verteidigern vertreten, mehr als 60 Anwälte sitzen für die Terroropfer im Prozess. All das ist rekordträchtig. Und auch die Plädoyers dürften dies werden.

Zehn Morde – an neun migrantischen Gewerbetreibenden und einer Polizistin –, zwei Sprengstoffanschläge in Köln und 15 Raubüberfälle wirft die Anklage dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ vor. Beate Zschäpe soll als Mitglied der Gruppe neben Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos voll für alle Taten verantwortlich sein. Mitangeklagt sind zudem vier mutmaßliche Terrorhelfer: Ralf Wohlleben, André E., Carsten S. und Holger G.

Jede Tat hatte das Gericht über Monate ausgeleuchtet. Die Richter luden Ermittler vor, Angehörige der Ermordeten, traumatisierte Überfallopfer. Neonazis kamen zu Wort, die Eltern des NSU-Trios, Nachbarn aus den Terrorverstecken in Sachsen. Die Bundesanwaltschaft machte nie einen Hehl daraus, dass sie ihre Anklage durch die Beweisaufnahme bestätigt sieht.

Zschäpe schwieg dennoch zu den Vorwürfen. Erst im Dezember 2015 ließ sie ihren Anwalt doch eine Einlassung verlesen: Sie habe von den Taten stets erst im Nachhinein erfahren und diese verurteilt – von den Uwes habe sie sich dennoch nicht trennen können.

Schlechtes Gutachten für Beate Zschäpe

Als lebensfern kritisierten dies die Opferanwälte. Auch der vom Gericht bestellte Gutachter Henning Saß hielt es für wenig wahrscheinlich, dass sich die selbstbewusste 42-Jährige in einer so „dramatischen Frage wie dem Begehen einer Serie von Tötungshandlungen dem Willen der beiden Lebenspartner gebeugt hätte“.

Für Zschäpe misslicher noch: Die Richter scheinen Saß' Urteil zu folgen. Erst lehnten diese den von den Verteidigern aufgebotenen Gegengutachter Joachim Bauer als befangen ab, der Zschäpe eine verminderte Schuldfähigkeit attestierte. Am Dienstag wiesen sie auch einen Antrag zurück, einen weiteren Gutachter einzusetzen. Saß dagegen bescheinigten sie einen kompetenten Vortrag.

Seit Monaten drängte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl auf ein baldiges Ende des Prozesses, verhängte seit März letzte Fristen für Anträge. Am Dienstag schloss Götzl plötzlich tatsächlich die Beweisaufnahme. Ihre Plädoyers haben alle Prozessbeteiligten schon lange vorbereitet. 22 Stunden hat allein die Bundesanwaltschaft für ihre eingeplant. Die letzten Worte der rund 60 Opferanwälte, die nach der Sommerpause ab Anfang September folgen sollen, dürften noch weit länger dauern – auch wenn sich einige wohl in Gruppen zusammentun werden.

Offen ist, wie ausführlich das Plädoyer von Beate Zschäpe wird und wer ihrer in zwei Parteien zerstrittenen Anwälte dieses überhaupt hält – oder ob es gar zwei Plädoyers für sie geben wird. Im Herbst könnte dann tatsächlich das Urteil fallen. Vorbei ist die juristische Aufarbeitung der NSU-Verbrechen aber auch damit nicht. Die Bundesanwaltschaft ermittelt weiter gegen neun, bisher nicht angeklagte Personen wegen Unterstützung des NSU.

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