piwik no script img

Neue Repression ErdoğansGeiselnahme in Istanbul

Auch ihr Fall wird zum Politikum: Sechs Menschenrechtsaktivisten sitzen in der Türkei in Untersuchungshaft. Wer sind sie?

Idil Eser, Direktorin der türkischen Sektion von Amnesty International Foto: dpa

Die Amnesty-Chefin

İdil Eser ist seit 2016 Direktorin von Amnesty International Türkei. Sie ist eine von zehn MenschenrechtlerInnen, die am 5. Juli bei einem Workshop zum Thema „Digitale Sicherheit und Informationsmanagement“ in Istanbul festgenommen wurden. Am Dienstag ordnete ein Gericht gegen sie und fünf andere Untersuchungshaft an. Der Vorwurf: Unterstützung einer „bewaffneten Terrororganisation“.

Eser, geboren 1963, hat an der Columbia-Universität in New York Internationale Beziehungen studiert. Wegen der Krankheit ihrer Mutter brach sie ihre Promotion in russischer Geschichte an der Chicago-Universität ab und kehrte in die Türkei zurück. Eser hat für verschiedene NGOs wie Ärzte ohne Grenzen gearbeitet. An der Bilgi-Universität in Istanbul gab die Übersetzerin Kurse zur Geschäftsführung von NGOs.

Der Konfliktlöser

Peter Steudtner Foto: privat

Peter Steudtner hat zusammen mit Ali Garawi'yi den Workshop zu Informationsmanagement geleitet. Das Seminar sollte Menschrechtsaktivisten im Umgang mit vertraulichen Daten und Zeugenaussagen von Opfern schulen. Steudtner, geboren 1971 in Berlin, ist Trainer, Fotograf, Dokumentarfilmer und Mitglied von Amnesty International. Nach seinem Politikstudium hat Steudtner in diversen afrikanischen Ländern Menschenrechtsprojekte ins Leben gerufen.

Seit 2011 leitet er als Trainer der Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion „Kurve Wustrow“ in verschiedenen Ländern Workshops zu gewaltfreien Konfliktlösungen. Er ist Mitautor eines Handbuchs zu digitalen Technologien in der Menschenrechtsarbeit. In Mosambik drehte er einen Dokumentarfilm über Landraub und Menschenrechte.

Der IT-Stratege

Ali Garawi'yi Foto: privat

Ali Garawi’yi ist ein iranisch-schwedischer IT-Consultant, der den Workshop zusammen mit Peter Steudtner geleitet hat. Der 1967 Geborene wurde 2004 als Informatikexperte zum Symposium „Neue Strategien für Menschenrechtler“ eingeladen, das vom Förderfonds der türkischen Regierung finanziert wurde. Garawi’yi, der Elektroingenieurswesen und Robotertechnik studiert hat, arbeitete für das Folteropferzentrum, das Überlebende von Folter unterstützt.

Er leitete das Projekt „Privatsphäre und Redefreiheit“ vom Tactical Technology Collective in Berlin, das die politische und soziale Perspektiven von Technologie untersucht und sich mit digitalen Strategien und Netzsicherheit beschäftigt. Seit drei Jahren berät er verschiedene NGOs zu Computertechnik. Er schrieb diverse Beiträge, auf die sich Menschenrechtler als Quelle stützten.

Der Dokumentator

Günal Kursun Foto: privat

Günal Kurşun ist Vorstand des Menschenrechtsvereins İnsan Hakları Gündemi Derneği (Human Rights Agenda Association), der Menschenrechtsverletzungen im gesamten Land dokumentiert, und Mitglied von Amnesty International Türkei.

Der Akademiker wurde per Notstandsdekret von der Juristischen Fakultät der Çukurova-Universität entlassen. Seine wissenschaftlichen Beiträge zu den Themen Genozid, Internationales Strafrecht, Folter, Redefreiheit, Minderheitenrechte, ökonomische, soziale und kulturelle Rechte und Hassverbrechen fanden internationale Aufmerksamkeit.

Die Amnesty-Gründerin

Özlem Dalkiran Foto: privat

Özlem Dalkıran ist Gründungsmitglied von Amnesty International Türkei. Sie leitete das Büro für zwei Perioden und war die Pressesprecherin. Dalkıran ist in der Türkei bekannt für ihr jahrelanges Engagement für Menschenrechte und hat an diversen Kampagnen mitgearbeitet.

Daneben ist sie Mitgründerin eines Vereins, der sich für Geflüchtete in der Türkei einsetzt, und hat für das unabhängige Nachrichtenplattform Bianet als Projektkoordinatorin gearbeitet. Extern unterstützt sie den Hrant-Dink-Verein, der sich für Dialog und Frieden zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen in der Türkei einsetzt.

Der Vereinsgründer

Veli Acu Foto: privat

Veli Acu ist seit 2009 Gründungsmitglied des Menschenrechtsvereins İnsan Hakları Gündemi Derneği. Geboren 1988, hat er seinen Bachelor in Politikwissenschaft und öffentlicher Verwaltungswirtschaft an der Gazi-Universität absolviert; er studiert an derselben Universität Anglistik. Er forscht zu Menschenrechten, Nationalismus und Politischen Theorien.

Acu ist seit 2010 Mitglied von Amnesty International Türkei. Seit Mai 2016 arbeitet er auch für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nation.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Wer noch letzte Zweifel hatte ist nun kuriert. DIKTATOR Erdogan fügt sich nahtlos ein in die lange Reihe der Schwerstverbrecher unter den Staatsführern ein.

  • Ich bin erstaunt, dass AI eine solche Veranstaltung in der Türkei durchführt und dazu ausgerechnet einen Deutschen einfliegen lässt. Eine weitere deutsche Geisel: Einen größeren Gefallen konnte man dem Sultan wohl kaum machen.

    • @Eichet:

      Mit dem selben Argument dürfte man dann auch keine Urlauber mehr in die Türkei lassen. Aber so langsam wäre es wohl an der Zeit, Reisewarnungen auszusprechen und die Türkei nicht anders zu behandeln als andere Diktaturen wie Nordkorea oder den Iran.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Dorian Müller:

        Also im Iran, der sich gerade dem internationalen Tourismus öffnet, kann man sicherer reisen als in der Türkei, die jetzt eher Nordkorea ähnelt, auch was den Personenkult anbetrifft.