: Masterpläne werden überbewertet
ALLROUNDER Dietmar Post und Lucía Palacios sind mit einer Filmproduktionsfirma gestartet, aus der mit den Jahren ein umfassendes Archiv für Bild und Ton geworden ist. Ein Besuch „Play Loud!“ in Friedrichshain
von Andreas Hartmann
Filmplakate an den Wänden, Schallplatten in den Regalen – man bekommt im Büro von Play Loud! in Friedrichshain schnell mit, dass Musik und Film hier gleichermaßen in Arbeit sind. Dietmar Post und Lucía Palacios arbeiten beide als Regisseure und Filmproduzenten und interessieren sich zudem überdurchschnittlich für Musik. Auf dieser Basis haben sie aus Play Loud! einen eigenwilligen Hybrid aus Filmproduktion und Plattenlabel geschaffen und beides eng miteinander verzahnt.
Als Filmfirma existiert Play Loud! nun seit gut zwanzig Jahren, die Labeltätigkeit kam erst später hinzu. Auslöser war der große Erfolg, den die beiden Filmemacher mit ihrem 2006 produzierten Dokumentarfilm über die Band The Monks hatten, einer schillernden Randnotiz der Pophistorie, aus der in „Monks – The Transatlantic Feedback“ ein Panorama der Bundesrepublik in den Sechzigern wurde. Der Film erzählt nicht nur die kuriose Geschichte von ein paar Ex-GIs, die sich wie Mönche rasieren ließen und mit ihrem minimalistischen Beatrock zur Kultband wurden, sondern auch von Fluxus und Pop Art, von Joseph Beuys und Charles Wilp, dem deutschen Pop-Art-Künstler und Werbefachmann.
Im Fahrwasser des Films, der mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, luden die Regisseure dann Musiker wie Alec Empire und die englische Band The Fall ein, alte Monks-Stücke neu zu interpretieren, und veröffentlichten alte Demos der Pop-Mönche neu. Und seitdem werden bei Play Loud! einfach weiter Platten quer durch den Garten herausgebracht. Alte Alben der Krautrocker Guru Guru etwa, eine Live-Aufnahme der verkannten Hamburger-Schule-Band Die Regierung, lauter eher obskures Zeugs, das sich auf den ersten Blick nur schwer auf einen gemeinsamen Nenner bringen lässt.
Wahrscheinlich lässt sich Play Loud! aber auch nur richtig verstehen, wenn man dessen Gesamtkonzept betrachtet und das Musikprogramm als komplementäre Ergänzung zur Arbeit der beiden als Dokumentarfilmer begreift. „Mit dem Label verdienen wir noch kein Geld“, erklärt Dietmar Post, „noch ist dieses eher eine Investition, um mehr Aufmerksamkeit für unsere Filme zu bekommen.“ Synergieeffekte nennt man das wohl, die so erzielt werden sollen.
Krautrock on Demand
Auftritte von der obskuren Krautrock-Veteranin Limpe Fuchs beispielsweise oder von dem ehemaligen Sänger von Can, Damo Suzuki werden mitgefilmt und aus dem Bildmaterial Konzertfilme, die als Video On Demand im Internet angeboten werden. Passend dazu erscheinen dann Platten. Von Damo Suzuki ein Live-Album, aufgenommen bei selbigem Konzert. Von Limpe Fuchs wird gar nach und nach ihr so gut wie vollständiger Backkatalog wiederveröffentlicht, inzwischen sind bereits acht Alben von ihr bei Play Loud! erschienen.
Als Sammlung versteht Dietmar Post seine Firma, als Archiv für Bild und Ton. „Ich sehe unsere Arbeit durchaus auf den Spuren von Alan Lomax“, erklärt Diemar Post, rekurrierend auf den großen amerikanischen Musiksammler des zwanzigsten Jahrhunderts. Gleichzeitig stehe Jonas Mekas Pate, wenn es um den Archivgedanken beim eigenen Filmprogramm geht.
Allerdings lässt sich nicht alles bei Play Loud! in das beschriebene Schema pressen, nicht immer müssen die Platten mit den Filmen in Bezug stehen. Manchmal gönnt sich Dietmar Post auch einfach wie jüngst die Wiederveröffentlichung eines Albums von Roky Erickson, weil er diese Platte persönlich so liebt, wie er sagt. Und die ersten drei Werke der vergessenen Americana-Band Vulgar Boatmen wird er dieses Jahr auch noch nur deswegen herausbringen, weil er Fan der Band ist. „Ein Traum erfüllt sich damit für mich“, erklärt er.
„Wir haben eben keinen wirklichen Masterplan“, fügt er hinzu, oft komme einfach eines zum anderen, manchmal werde etwas schlicht aus dem Bauchgefühl heraus gemacht und das soll auch so bleiben bei der unabhängigen Firma mit der gehörigen Portion Do-it-Yourself-Ethos. „Immer wieder werde ich gefragt, wie wir arbeiten und was für einen Wirtschaftsplan wir haben“, sagt Dietmar Post, „Wirtschaftsplan?“, frage er dann zurück – „haben wir nicht.“
Die Live-Videos kann man über die Website von Play Loud! streamen (und kaufen), auch Audio-Downloads kann man dort erwerben. www.playloud.org
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