Union Berlin startet in neue Saison: Es riecht nach Aufbruch
Nach dem knapp verpassten Aufstieg in der vergangenen Saison will Union Berlin nun wirklich in die Bundesliga. Dabei geht es um grundsätzliche Fragen.
Von einer „Saison der Entscheidung“ zu sprechen ist eine beliebte Marotte um Saisonstart. Für Union Berlin aber mag diesmal ein Stück Wahrheit in dieser Floskel stecken. Wenige Vereine der Zweiten Liga haben zuletzt so von ihrem eigenen Rausch profitiert wie Union. Vom Winzling mit bescheidenen fußballerischen Mitteln zu einer klug vermarkteten Spitzenmannschaft der Zweiten Liga.
Alles bei Union riecht nach Aufbruch: der geplante Stadionausbau, das neue Nachwuchsleistungszentrum, die offensive Zielsetzung „Aufstieg“ – diesmal unmissverständlich.
Seit einem Jahr ist Jens Keller Trainer beim Verein. Union kündigte damals an, innerhalb von zwei Jahren mit Keller den Aufstieg schaffen zu wollen. Das klang vermessen und hätte dennoch fast geklappt. Im letzten Jahr scheiterte man nach großartiger Saison knapp. Wie hoch kann es also gehen?
Diese Mannschaft, die ihre Leistungsträger halten konnte, soll und muss mittelfristig aufsteigen. Denn auf dem Weg in die höheren Weihen der Zweiten Liga ist Union ein gewisses ökonomisches Risiko eingegangen. Im vergangenen Winter haben die Köpenicker mit Sebastian Polter den teuersten Transfer der Vereinsgeschichte getätigt, rund 1,6 Millionen kostete der Mittelstürmer. In dieser Sommerpause kam mit Offensivmann Akaki Gogia der zweitteuersten Einkauf der Vereinsgeschichte dazu, wieder für rund eine Million. Für Union ist damit eine Schmerzgrenze erreicht.
Wertvoller Kader
Nötig und sinnvoll sind die Neuzugänge als Investition, aber nicht beliebig oft wiederholbar. Das Portal transfermarkt.de beziffert den Wert des Union-Kaders derzeit auf rund 20 Millionen Euro – als wertvollsten Kader der Liga hinter Bundesliga-Absteiger Ingolstadt. Union hat die Qualität aufzusteigen. Und muss es auch.
Man darf annehmen, dass der umsichtig agierende Union-Präsident Dirk Zingler Rückschläge eingeplant hat: Der Aufstieg in dieser Saison gilt zwar offiziell als Pflicht, aber Union dürfte finanziell noch ein paar Anläufe in Richtung Bundesliga einkalkuliert haben. Trotzdem kommt der Verein jetzt forscher daher, wenn er vom Aufstieg spricht.
Es ist in den letzten Jahren eine Dynamik in Köpenick entstanden: Deutschlandweit gehört Union zu den Vereinen mit dem positivsten Image. Beim Dauerkartenverkauf in der Sommerpause wurde wieder mal ein neuer Rekord aufgestellt. Bei einem Aufstieg in die Bundesliga könnte der Club mühelos die PR-technisch geschickte Rolle von „Everybody’s Lieblingsaußenseiter“ erfüllen, die seit dem Abstieg von Darmstadt 98 frei geworden ist.
Die Zweite Liga startet dieses Wochenende in die neue Saison. Union spielt auswärts bei Mitaufstiegsfavorit Ingolstadt. Die Union-Frauen sind in der letzten Spielzeit aus der Zweiten Liga abgestiegen und starten im September in der Regionalliga Nordost.
Die Bundesliga der Männer startet am 18. August. Hertha BSC hat sein Auftaktspiel am 19. August zu Hause gegen den VfB Stuttgart. Turbine Potsdam beginnt in der Frauen-Bundesliga am 3. September zu Hause gegen Jena.
DFB-Pokal der Männer ist vom 11. bis 14. August. Union spielt auswärts in Saarbrücken, Hertha in Rostock. Der BFC Dynamo darf als Berliner Pokalsieger teilnehmen und tritt zu Hause gegen Schalke an. (asc)
Das Präsidium weiß die Gunst dieser Stunde zu nutzen. Will man den Verein weiterentwickeln, war doch die Gelegenheit selten besser als jetzt. Doch die Ausgaben dafür – allein 38 Millionen Kosten für den Stadionausbau – bedeuten auch, dass Union den zeitnahen Aufstieg braucht. Diese Chance nicht zu ergreifen kann sich der Club nicht leisten. Die Köpenicker werden sich diese Saison also an eine neue Art von Druck gewöhnen müssen.
Investor für die Zukunft
In der Transferpause hat auch Union Berlin die Realitäten des Fußballmarktes kennengelernt. Norwich City, ein englischer Zweitligist, bot für Union-Spieler Toni Leistner 3,5 Millionen, etwa das Doppelte seines Marktwertes. Union lehnte ab.
In der Folge hat Präsident Zingler zwei bemerkenswerte Kommentare gegenüber dem Kicker abgegeben: Union sei „kein Ausbildungsverein“, so Zingler. „Unser Ziel ist es, uns als Club weiterzuentwickeln und aufzusteigen. Das gelingt nur, wenn du die Spitze im Kader zusammenhältst.“ Dafür wollte er in Zukunft aber auch einen Investor nicht ausschließen. „Wenn in zehn Jahren alle anderen einen Investor haben und wir Gefahr laufen, aus dem Profifußball zu fliegen, haben wir uns darüber Gedanken zu machen.“
Die Frage ist noch weit weg, aber natürlich weckt ein potenzieller Investor Sorgen in Köpenick. Will man sich jedoch tatsächlich in der Bundesliga etablieren, tut der Verein gut daran, sich über neue Einnahmequellen Gedanken zu machen. Lokalrivale Hertha zum Beispiel ist mit dem Investment von US-Finanzkonzern KKR bislang sehr erfolgreich gefahren.
Ausgerechnet vom Aufstieg in die Bundesliga – der großen Sorge vieler Traditionalisten – könnte der Fußballverein durchaus profitieren: Ein großes Portfolio von Unternehmen bedeutet weniger Macht für einen einzelnen Investor. Denn als kleinerer Club wäre Union viel eher in Gefahr, von einem einzelnen mächtigen Sponsoren abhängig zu werden wie etwa der Möchtegern-Lokalrivale Berliner Athletik Klub. Auch der 1. FC Union Berlin kennt das aus den alten Zeiten mit Medienunternehmer Kölmel.
Auf Papier sind die Aufstiegschancen hoch, die Konkurrenz schwächer als letztes Jahr. Beim letzten Testspiel gegen die englischen Queens Park Rangers überzeugte Union mit 2:1. Entscheidendes wird sich aber erst im nächsten Spiel zeigen: In der Auftaktpartie der Zweiten Liga geht es direkt gegen den FC Ingolstadt. Denn auch die wollen aufsteigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!