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Mit Schmerz durchs Watt

Bis zu 40.000 ZuschauerInnen werden am Sonntag in Cuxhaven erwartet. Um 8 Uhr in der Früh beginnt dort nämlich der Wattrenntag. 1902 gründete der Cuxhavener Austernkönig eine Badecomission, um den Flecken Duhnen zum Kurort zu entwickeln. Er ersann auch ein Unterhaltungsprogramm zur Belustigung der erhofften Badegäste: das Duhner Wattrennen.

Es gründete sich ein Comité, aus dem bald darauf ein Trägerverein hervorging, der noch heute existiert und die Veranstaltung seit Mitte der 1970er auch wieder jährlich austrägt. Das Publikum war schon zur Premiere vor 115 Jahren in Scharen erschienen: Schon im Juni 1902 erfreuten sich 8.000 BesucherInnen an peitschenden Jockeys und gnadenlos durch den Schlick gehetzten Rössern.

Ob die Traditionsveranstaltung auch mit den heutigen Vorstellungen vom Tierwohl kompatibel ist, darüber streiten sich die Geister. Die Tierrechtsorganisation Peta vergällt den Gästen das Vergnügen mit dem Großplakat „Pferderennen sind grausam“, das ein 2014 beim Wattrennen aufgenommenes gepeinigtes Tier zeigt. Damals hatte eine Besucherin Fotos von der Veranstaltung gemacht – und sie der Tierrechtsorganisation zur Verfügung gestellt, wie Peta-Referent Peter Höffken erklärt: „Nicht wir haben uns die Veranstaltung als Ziel ausgesucht, sondern die Veranstaltung ist an uns herangetragen worden.“ Letztlich könne man Ähnliches bei jedem Galopprennen erleben. In Cuxhaven fühlt man sich deshalb als Opfer einer unfairen Kampagne.

Opfer sind hingegen den Fotos zufolge die Tiere: Die ReiterInnen haben deren Mäuler mit Gebissen verrammelt, die Zungen laufen blau an, weil sie mit speziellen Bändern abgeschnürt werden. Auch das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz (Laves) bestätigte: Ja, das sei Tierquälerei. „Hier laufen die Ermittlungen noch“, so der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Stade, Kai-Thomas Breas.

Keine Verstöße gegen das Tierschutzgesetz habe man hingegen bei der von Peta selbst erstellten Dokumentation des 2016er-Rennens erkennen können. „Das Verfahren haben wir diese Woche eingestellt“, so Breas. So hatte auch die Landesbeauftragte für Tierschutz, Michaela Dämmrich (Grüne) befunden, die die Veranstaltung eigens besucht hatte. Zwar zeigen die Peta-Bilder Pferde mit herausnehmbaren Ohrenstöpseln. Werden die kurz vorm Ziel gezogen, jagt man den Pferden noch mal mit Lärm einen richtigen Schreck für den Endspurt ein. Sie sind aber nur in Niedersachsen durch ministeriellen Erlass verboten, nicht durchs Tierschutzgesetz. Dessen Einhaltung hätte das Veterinäramt vom Veranstalter verlangen müssen. Der aber wusste von nichts, behauptet Renn-Präsident Henry Böhack, der sich im Herbst nach 42 Jahren vom Ehrenamt zurückgezogen hat: „Uns waren die Auflagen nicht bekannt“. Und dem mittlerweile ebenfalls pensionierten Kreistierarzt ist nie etwas aufgefallen. bes

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