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Auf Erfolg programmiert

START-UPS Berlin ist das Eldorado der digitalen Wirtschaft: Internationale Gründer entwickeln Ideen und fischen nach Investoren. Eine von ihnen ist Johanna Brewer, die mit zwei Freundinnen ein Programm entwickelt, um Konzertsäle zu füllen

„Berlin ist gerade der beste Ort der Welt. Zum Leben und zum Entwickeln“

JOHANNA BREWER

VON SEBASTIAN PUSCHNER

„Very good“, sagt einer mit aufgerissenen Augen. „Great“, sagt eine andere mit breitem Lächeln. „Wonderful“, ja, „fantastic“ – es muss eine grandiose Woche für die dreißig jungen Frauen und Männer gewesen sein. Nun ist Freitagvormittag, die Start-up-Gründer sitzen an einer langen Tafel, vor sich Schokocroissants und Kaffee. Beim Frühstück berichten sie, wie Gespräche mit Mentoren und Treffen mit potenziellen Investoren gelaufen sind. Sehr gut sind sie gelaufen. Und es wird noch besser.

Alex Farcet, 45, hat sie alle nach Berlin geholt, zehn Teams aus acht Ländern. Drei Monate versorgt er sie mit Büros, mit erfahrenen Unternehmern als Mentoren und Kontakten zu Investoren, mit Freiminuten für Carsharing und mit 15.000 Euro Taschengeld zum Leben. „Sie sollen den Kopf frei haben, um ihre Ideen zu entwickeln“, sagt Farcet. „Bootcamp“ hat er sein Konzept genannt, in kurzer Zeit will er Start-ups zu erfolgreichen Firmen trimmen. Dafür braucht es Investoren. „Ihr müsst euch das Geld nur holen, es liegt auf dem Tisch“, sagt Farcet und deutet irgendwohin zwischen Croissants und Kaffeetassen.

Der Ort passt zur Aufbruchstimmung: Farcet hat Räume im Kreuzberger Umspannwerk angemietet, einem sanierten Industriebau aus den Zwanzigern. Erfolgreiche Firmen gibt es hier schon, außerdem ein Edelrestaurant und einen Lounge-Garten. An diesem vorbei laufen die Bootcamp-Teilnehmer jeden Morgen ins Büro, setzen sich an die Rechner, programmieren, telefonieren, diskutieren. Alles läuft auf den letzten Tag zu: Dann kommen Hunderte von Investoren und entscheiden, bei welcher jungen Firma sie einsteigen mit ihrem Geld. Jeden Morgen schreibt Farcet an eine Tafel, wie viele Tage noch bleiben.

In Berlin ist er mit seinem Geschäftsmodell in bester Gesellschaft. Mehr als ein Dutzend solcher Bootcamps gibt es schon, gerade hat die Telekom ein neues Programm aufgelegt. Von überall aus der Welt kommen Gründer, aufgewachsen mit dem Internet, ausgebildet an Eliteuniversitäten, oft haben sie schon Start-ups hochgezogen und für viel Geld verkauft. Ihnen folgen die Investoren und spülen Geld in die Stadt. Geld, das man sich, wie Farcet sagt, nur zu nehmen braucht. Er selbst geht jedenfalls nicht leer aus, er hält 8 Prozent an jeder der zehn Ideen.

Diese Ideen spielen alle im Internet: US-Amerikaner programmieren eine Dating-Plattform für platonische Freundschaften. Norweger entwerfen ein Programm für Smartphones, das Nutzern morgens Mails, Wetterbericht und Aktienkurse vorliest.

Ein weiteres Team bastelt an einem Online-Netzwerk für Konzertgänger und Konzertveranstalter, das beide zusammenbringen und für ausverkaufte Hallen sorgen soll. Es ist die Idee von Johanna Brewer, 32, und ihren beiden Freundinnen. „Fantastisch“ war ihre Woche, weil sie mit dem Manager der größten Veranstaltungshalle Berlins gesprochen haben. Ziemlich interessant fand der die Idee mit dem Netzwerk und den ausverkauften Konzerten. „Wir treffen ihn wieder, es sieht gut aus“, sagt Brewer und wippt von einem pinken Turnschuh auf den anderen. Sie steht im Umspannwerk neben der Tischtennisplatte, auf der sie immer alle zusammen Rundlauf spielen. An der Wand hängt die Rangliste, Brewer ist Letzte, obwohl sie zu Hause immer Tennis gespielt hat mit ihrer Mutter.

Ihr Zuhause ist der Bundesstaat Connecticut an der US-Ostküste. Ihr Vater stattete in den Achtzigern Unternehmen mit Computer-Hardware aus, der Keller stand voll mit Rechnern. Wenn ihr Vater vor dem Bildschirm saß, saß Brewer auf seinem Schoß und hatte ihren eigenen PC vor sich. „Ich bin Hackerin, seit ich vier bin“, sagt sie.

Sie studierte in Boston Informatik und machte in Kalifornien ihren Doktor, forschte in der Schweiz und entwarf für Londoner U-Bahnhöfe eine Musiktauschbörse per USB-Stick. Sie besuchte Konferenzen, auf denen Wissenschaftler und Unternehmer über die Zukunft des Internets berieten – und deshalb waren auch Emanuela Tumolo, 35, und Arianna Bassoli, 34, dabei. Die eine organisierte das Online-Marketing für Unternehmen, die andere war von der italienischen Regierung für Vorträge über digitale Wirtschaft engagiert. Die drei zogen in Rom zusammen, gingen aus, auf Konzerte. Und starteten ihre Plattform: „Eine Band vor leeren Rängen spielen zu sehen, tut mir weh“, sagt Brewer. Warum sie nun in Berlin sind? „Das ist gerade der beste Ort der Welt“, sagt sie. „Zum Leben und zum Entwickeln.“

Mehr als 300 Start-ups hatten sich um zehn Plätze beim Bootcamp in Berlin beworben. Die Stadt ist drauf und dran, München als deutschen Standort mit den meisten IT-Gründungen zu überholen. Noch letzten Dezember baten ein paar Start-up-Unternehmer vergeblich um ein Gespräch mit Klaus Wowereit über noch mehr Investoren, die der Regierende in die Stadt locken soll, und über Behörden, in denen keiner Englisch spricht. Jetzt kam Wowereit zum Treffen. Er blieb mehr als drei Stunden.

Sie würde auch bleiben

Und weil Johanna Brewer auch gern bleiben würde in ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg, in der gerade besten Stadt der Welt, übt sie nun ihre Abschlusspräsentation, kurz vor Ende der drei Monate. Die Tischtennisplatte ist zusammengeklappt, um die Sicht auf Beamer und Leinwand frei zu geben, jedes Team hat zehn Minuten. Brewer steht vorn, streicht sich energisch blondierte Haare aus der Stirn und sagt: „We live music. Do you?“ Erklärt, wie sich Konzertgänger bei ihrer Plattform anmelden, wie Veranstalter ihr Profil gestalten lassen können. „Wer seinen Club schon eine Stunde vor dem Konzert voll haben will, dem organisieren wir eine Aktion mit Freigetränk“, sagt sie laut.

Ein bisschen leiser würde auch genügen, sagt Bootcamp-Chef Alex Farcet danach: „Deine Überzeugung wird immer noch sehr spürbar sein.“ Aber Musik täte der Präsentation noch gut. „Hey, wir sind schließlich in Berlin!“, sagt Farcet. Und warum sie nichts vom Manager der großen Halle erzählt habe: „Wenn ein dicker Fisch an der Angel zappelt, lockt das andere dicke Fische.“

Brewers Fisch ist so dick, dass er nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg und London Veranstaltungshallen betreibt. Falls es klappt, würde sie womöglich nach London geschickt, sagt Brewer. Dann gäbe es einen neuen besten Ort der Welt für sie.

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