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Junge Frau, in der Badewanne rauchend

BERLIN-FILM „Playgirl“, ein Film von Will Tremper, läuft beim Jour Fixe der „Berlin-Film-Datenbank“ im Brotfabrikkino

Früher war gestern und ist trotzdem interessant. Seit einigen Jahren bemüht sich das Berlin-Film-Katalog-Projekt um die Erstellung einer kompletten Berlin-Film-Datenbank im Internet, in der alle Filme, die jemals deutlich erkennbar in Berlin gedreht wurden, erfasst werden sollen; eine Herkules-Aufgabe, die erst abgeschlossen sein wird, wenn in Berlin keine Filme mehr gedreht werden. Zurzeit befindet sich das unter anderem von Jan Gympel betriebene Projekt immer noch in der Vorbereitungsphase, lädt aber schon seit Juni 2012 jeweils am zweiten Montag jeden Monats zum „Jour fixe“ des selten gezeigten Berlin-Films. Im Juni gab es den recht schönen „Berlin-Neukölln“ (2001) von Bernhard Sallmann, der sozusagen noch knapp vor der Gentrifizierung in die Kinos gekommen war. Nun im Juli ist Will Trempers „Playgirl“ von 1965 zu sehen.

Tremper, ein bekannter Journalist, galt nach einigen Drehbüchern und zwei Autorenfilmen – „Flucht nach Berlin“ (1961) und „Die endlose Nacht“ (1963) – als einer der wichtigsten westdeutschen Jungfilmer. „Playgirl“ finanzierte er mit dem Auftragsfilm – „Sperrbezirk“ – , der von einem „gefallenen Mädchen“ handelt. Weil kein Verleih den Film haben wollte, verkaufte er ihn direkt an die Kinos. Neben Alexanders Kluges „Abschied von Gestern“ sei „Playgirl“ das Beste, was der junge Film bisher hervorgebracht hat, befand der Kritiker Uwe Nettelbeck damals in der Zeit.

Es ist eine seltsame Tragikomödie in makellosem Schwarz-Weiss; mit großartiger Musik u.a. von Klaus Doldinger; mit einem Auftritt des Bandleaders Paul Kuhn, einem Lied von Marie France, mit Bildern eines Westberlin, das es so schon lang nicht mehr gibt. Mit einer Spontaneität erzählt, die an die Nouvelle Vague erinnert.

In der Hauptrolle die kaum 20-jährige Eva Renzi, die sich bis dahin als Model, Hostess und Telefonistin durchs Leben geschlagen hatte und in „Playgirl“ ein erfolgreiches Mannequin namens Alexandra Borowski spielt, das nach Westberlin kommt, um sich hier den großen Unternehmer (Paul Hubschmid) zu angeln, mit dem sie in Rom eine kleine Liaison gehabt hatte. Der reiche und attraktive Mann ist jedoch nicht so recht willens und versucht sie (wie weiland Franz Biberkopf in Döblins „Berlin Alexanderplatz“) an seine rechte Hand abzuschieben.

Recht freizügig läuft Eva Renzi durch den Film. Gleich am Anfang, im Schwimmbad beim Olympiastadion, wundert man sich, dass es Mitte der 1960er Jahre schon so knappe Bikinis mit häufig rutschenden Trägern gab. Später raucht sie als emanzipierte junge Frau in der Badewanne. Es gibt auch eine Nacktbadeszene im Schwimmbad der Villa des reichen Unternehmers. Immer wieder verliebt sie sich aufs Neue.

Es gibt schöne Autos: alte Mercedes, Rolls Royce, aber auch ein Goggomobil; die Protagonisten geben sich kosmopolitisch und sprechen passables Englisch. Irgendwann gegen Mitte des Films, als man sich schon wundert, dass zwanzig Jahre nach Kriegsende nichts mehr an den Zweiten Weltkrieg und die Nazizeit zu erinnern scheint, gibt es ein Gespräch zwischen ihr und dem Unternehmer und Alexandra Borowski, in dem sie sagt, sie wäre nach Berlin gekommen, weil es in Westdeutschland keinen Platz mehr gibt, der an den Krieg oder an Hitler erinnert.

Auch an einer anderen Stelle blitzt die politische Wirklichkeit kurz auf, als Alexandra und der Unternehmer im Kino sitzen und in der Wochenschau vor dem Film Bilder vom Vietnamkrieg gezeigt werden.

„Playgirl“ erinnert an ähnliche Filme über die sogenannte Jeunesse dorée aus Italien und Japan. Den schönsten Satz hat ein „007“ genannter Protagonist, der irgendwann zur liebeskranken Heldin berlinert: „Machen Sie mal ein anderes Gesicht. Sonst komme Sie in die Suppe“. Detlef Kuhlbrodt

„Playgirl – Berlin ist eine Sünde“.Regie: Will Tremper. Mit Eva Renzi, Harald Leipnitz und Paul Hubschmid. Deutschland 1966, 88. Min.; läuft von heute bis Mittwoch im Brotfabrikkino

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