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Spaß mit den Nachbarn

In Balkonien I Partys mit Balkon sind besser. Zumindest denkwürdiger – nicht nur für die Gäste

Vor Jahren erzählte mir ein Bekannter auf einer WG-Party, wir standen auf dem Balkon und ich sah ihm beim Rauchen zu, er sei letztens auf einer Geburtstagsfeier gewesen, da sei der ganze Balkon „einfach so runter gekracht“. Vermutlich zu viele Leute drauf gewesen, offenbar stimmte da auch was nicht mit der Statik des Balkons, zum Glück war’s bloß erster Stock. Wilde Geschichte jedenfalls, keine Ahnung, ob sie stimmte. Aber es ist schon so: Partys, die einen Balkon haben, sind meistens die besseren. Oder zumindest die denkwürdigeren.

Der Balkon erfüllt technisch in etwa die gleiche Funktion wie die Küche: Er ist Kühlschrank für die Getränke und den Kartoffelsalat, und inoffizieller Sammelpunkt für die, die ohne Begleitung gekommen sind. Hier findet man schnell Gesprächspartner und wird sie, wenn es sein muss, auch schnell wieder los. Alle stehen, keiner sitzt, einer kommt, der andere geht, insgesamt ein unverbindlicher Ort.

Aber wenn die Party gewisse Längen hat, kann man auf dem Balkon auch ganz wunderbar Aktionismus vortäuschen: Bier holen, so tun, als ob man sich entweder für die Sterne oder das Fernsehprogramm im Wohnzimmer der Nachbarn gegenüber interessiert. Raucher im allgemeinen und ganz besonders selbst drehende Raucher sind hier im Vorteil, vor allem dann, wenn sie in der Lage sind, die Produktion einer Zigarette auf die Dauer einer Viertelstunde zu strecken.

Soziologisch ist der Balkon auf Partys also zugleich Transitzone und Insel im Treiben, ganz wie man ihn gerade braucht.

Das mitunter Ambivalente an Balkonpartys ist: Die Nachbarn feiern mit, ob sie wollen oder nicht. Neulich haben die Nachbarn über uns gefeiert, ein paar Studentinnen aus den USA, die in Berlin vermutlich gerade ihr Austauschsemester machen, genau weiß ich es nicht.

Eins weiß ich seit der Party aber: Diese sehr nette WG ist im Besitz eines Klaviers. Aus diesem Reichtum schöpften sie auf ihrer WG-Feier. Jemand haute mit Verve in die Tasten, der Gospelchor stand auf dem Balkon und gab alles. Sie sangen wirklich nur Gospels, sehr laut und mit zunehmender Inbrunst, je weiter der Abend voran schritt. Noch immer deuten die Anwohner von gegenüber belustigt auf unser Haus und die Wohnung unserer Nachbarn. Ohne Balkon hätten alle Beteiligten weniger Spaß gehabt. Anna Klöpper

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