Jamaika will dafür stimmen: Schleswig-Holstein will Ehe für alle
Die CDU-geführte Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein will die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und im Bundesrat für die Ehe für alle stimmen
KIEL taz | In Schleswig-Holstein können sich Lesben und Schwule freuen: Die künftige Regierung aus CDU, Grünen und FDP will die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle zufolge befürworten das auch 83 Prozent der Deutschen. „Die Koalition setzt sich auf Bundesebene konsequent dafür ein, dass die zivile Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wird“, steht im Koalitionsvertrag. Damit regiert in Schleswig-Holstein die erste CDU-geführte Koalition, die die Ehe für alle will.
Bisher können Lesben und Schwule in Deutschland lediglich eine sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seit 2001 soll diese ein Äquivalent zur Ehe darstellen, geht jedoch mit weniger Rechten einher. Ein wichtiger Unterschied besteht im Adoptionsrecht. Beispielsweise ist es gleichgeschlechtlichen Paaren nicht erlaubt, gemeinsam Kinder zu adoptieren. Zudem ist die Lebenspartnerschaft nicht verfassungsrechtlich geschützt und wie die Ehe im Grundgesetz verankert. Das soll sich mit der Öffnung der Ehe für alle ändern.
Die künftige Regierung in Kiel greift ein polarisierendes Thema auf. Während sich auf Bundesebene SPD, Grüne und FDP schon lange für die gleichgeschlechtliche Ehe aussprechen, blockieren CDU und CSU eine Abstimmung. Hier schert Schleswig-Holstein jetzt aus: Wenn abgestimmt wird, wird die CDU-geführte Kieler Koalition für die gleichgeschlechtliche Ehe stimmen. Das wird jedoch nicht mehr in dieser Legislaturperiode passieren. Erst am Dienstag lehnte das Verfassungsgericht die Forderung der Grünen ab, die Abstimmung endlich zu vollziehen.
„Dass bereits klar ist, wie sich Schleswig-Holstein im Fall der Abstimmung entscheiden wird, ist eine starke Sache“, sagt Danny Clausen-Holm vom Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein. Es sei nicht selbstverständlich, dass sich ein CDU-geführtes Bundesland für die Ehe für alle ausspreche, erklärt er.
Seit dem 16. Februar 2001 gibt es in Deutschland das Lebenspartnerschaftsgesetz. Gleichgeschlechtliche Paare dürfen ihre Beziehung rechtlich absichern.
Während aber die Ehe im Artikel 6 des Grundgesetzes verankert ist und einen verfassungsrechtlichen Rechtsgegenstand darstellt, kann das Lebenspartnerschaftsgesetz jederzeit aufgehoben werden.
Ein Recht auf gemeinsame Adoption eines nicht-leiblichen Kindes gibt es bisher nicht. Es ist jedoch erlaubt, das leibliche Kind und seit 2013 das nicht-leibliche Kind der Partnerin oder des Partners zu adoptieren.
In der Einkommenssteuer sind gleichgeschlechtliche Paare allerdings benachteiligt: Es besteht zum Beispiel kein Recht auf Ehegattensplitting und das Steuerklassenwahlrecht.
Im Gegensatz zur CDU-Bundesfraktion steht die Ehe für alle bei der Schleswig-Holsteinischen CDU jedoch schon länger auf dem Plan. Bereits im Januar 2015 hat die CDU den Antrag gestellt, die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften zu beenden. Auch der designierte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) spricht sich deutlich für die Öffnung der Ehe aus. „Die CDU steht zur Familie, in der zwei Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen“, meint er. Das gelte auch für homosexuelle Partnerschaften.
Die Offenheit der Christdemokraten ändert aber nichts an der Position der Kirchen. „Für uns ist die Ehe die Verbindung zwischen Mann und Frau“, sagt Beate Bäumer, Leiterin des Katholischen Büros. Und auch die Unterscheidung zwischen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und der Ehe hält sie weiterhin für sinnvoll.
Die evangelische Nordkirche sieht das ähnlich. Seit September letzten Jahres ist diese zwar offen für eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, stellt aber klar, dass eine Segnung nicht mit einer Trauung gleichzusetzen ist. Landesbischof Gerhard Ulrich betont, dass die Öffnung für eine Segnung „keine Entwertung der Ehe“ darstelle.
Die Bundes-Grünen wollen das nicht mehr gelten lassen. „Mit uns wird es keinen Koalitionsvertrag ohne die Ehe für alle geben“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck gerade der Wochenzeitung Die Zeit. Damit scheint die Union auf Bundesebene als Koalitionspartner für die Grünen ausgeschlossen.
Mit einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei jedoch noch lange nicht alles getan, sagt Clausen-Holm vom Lesben- und Schwulenverband. „Transsexuelle sind ja nicht inbegriffen“, erklärt er. Dennoch will sich die Jamaika-Koalition, laut Vertrag, auch für andere queere Themen stark machen. Die Rechte von trans- und intersexuellen Menschen sollen gestärkt und das Transsexuellengesetz soll reformiert werden. Des Weiteren sollen schwule Männer nicht länger von der Blutspende ausgeschlossen werden.
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