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Nach dem SturmMal eine Nacht in Tegel

Die Unwetter am Donnerstag und Freitag brachten einiges durcheinander – unter anderem die Reisepläne vieler Fluggäste. 2.500 Feldbetten in Tegel und Schönefeld.

Kann auch Spaß machen: Unwetter über Berlin Foto: dpa

Am Freitag war Aufräumen angesagt. Nach den Unwettern, die von Donnerstagnachmittag bis in die Nacht über Berlin hinweggezogen waren, galt es viele abgebrochene Äste auf Straßen und Gehwegen zu beseitigen, auch einige umgestürzte Bäume. Der schwerste Zwischenfall hatte sich in der Kreuzberger Urbanstraße ereignet, wo ein Radfahrer unter einem Baum eingeklemmt und schwer verletzt worden war. Der Mann wurde von der Feuerwehr befreit.

Insgesamt rückte die Feuerwehr 300-mal zu witterungsbedingten Einsätzen aus. Dazu gehörte ein Garagenbrand in Tempelhof, der am Freitagmorgen wohl durch Blitzschlag ausgelöst wurde. Wegen starker Rauchentwicklung wurde eine benachbarte Flüchtlingsunterkunft kurzzeitig evakuiert, die rund 200 Bewohner wurden auf einem Parkplatz medizinisch untersucht und betreut. Insgesamt mussten 20 Brände gelöscht werden.

Auch in Parks sieht es wüst aus. Der Schlossgarten Charlottenburg blieb noch den gesamten Freitag für Aufräumarbeiten geschlossen – viele Baumkronen hätten gelitten, sagte ein Sprecher der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.

Glimpflich kam der über 200 Hektar große, dicht bewaldete Südwestkirchhof in Stahnsdorf davon. Die Schäden seien überschaubar, teilte Verwalter Olaf Ihlefeldt am Freitag mit: „Nur wenige Bäume sind entwurzelt.“

Reisepläne vereitelt

Für viele Bahn- und Flugreisende brachten die Unwetter eine unfreiwillige Übernachtung in Berlin mit sich. Am Donnerstag waren fast alle ICE-Strecken nach Berlin unterbrochen, erst am Freitagmorgen standen laut Bahn die meisten Verbindungen wieder – ausgenommen war der Regionalverkehr zwischen Berlin und Magdeburg.

An den Flughäfen Tegel und Schönefeld fielen nach Angaben der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) während der Unwetterphase rund 90 Flüge aus. Dass das meist wetterbedingt war, sei anzunehmen, aber nicht notwendigerweise der Fall, so Sprecher Daniel Tolksdorf zur taz: Wenn eine Airline bei der FBB eine Verbindung cancele, teile sie keine Gründe dafür mit.

Wie Tolksdorf bestätigte, übernachteten rund 2.500 verhinderte Fluggäste in den beiden Flughäfen, der größte Teil davon in Tegel. Weil die Airlines für die große Zahl Betroffener praktisch keine Hotelzimmer in der Umgebung mehr fanden, sprang die FBB ein: Sie stellte in gesonderten Räumen Feldbetten auf und versorgte die Menschen mit Decken und Getränken. Laut Tolksdorf sind bei Gewittern Starts und Landungen selten das Problem: Der Betrieb kommt zum Stillstand, weil die Abfertigung auf dem Rollfeld aus Sicherheitsgründen eingestellt wird.

Schmodder aus Lindenblüten

Fahrradfahrer berichteten am Freitagmorgen von Radwegen, die abschnittsweise mit einer glitschigen Schicht aus Lindenblüten bedeckt waren. Das Unwetter hatte sie massenhaft von den Bäumen gerissen und aufgeweicht, die Reinigung ließ auf sich warten, weil die BSR in der ganzen Stadt mit Räumarbeiten beschäftigt war.

Wer auf einem solchen Blütenschmodder ausrutscht, muss laut dem ADFC-Rechtsexperten Roland Huhn damit rechnen, dass der zuständige Bezirk nicht in vollem Umfang haftet. Es könnte sogar sein, dass der Verunfallte den größten Teil der Kosten tragen muss – je nachdem, wie hoch das Gericht sein Eigenverschulden bewertet.

„Es ist in jedem Fall Pflicht der Kommune, solche Verschmutzungen zu beseitigen“, so Huhn. Im Einzelfall komme es darauf an, ob die Reinigungsarbeiten an anderer Stelle nachweisbar bereits im Gange waren oder aber dass die betroffene Stelle schlicht vergessen wurde. Huhn verwies gegenüber der taz auf einen Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Hamm, bei dem es 2005 um einen durch nasses Herbstlaub ausgelösten Radunfall ging.

Die Radfahrerin, die einen Oberschenkelhalsbruch erlitten hatte und die Gemeinde verklagte, musste den größeren Teil der Schäden und Gerichtskosten selbst tragen. Zwar war die Stadt ihrer Reinigungspflicht nicht ausreichend nachgekommen, die Radfahrerin habe jedoch aus Erfahrung wissen und berücksichtigen müssen, dass nasses Laub eine Rutschgefahr darstellt. (OLG Hamm / AZ: 9 U 170/04)

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