: Wenn der Wolf im Ufo sitzt
CONFED CUP Russland gewinnt zwar das Auftaktspiel, aber zum Selbstläufer wird der Konföderationen-Pokal deswegen noch nicht
aus St. PetersburgAndreas Rüttenauer
„Triumph des Sports“ nennt sich also, was die Sportwelt am Samstag beim Eröffnungsspiel des Confederation Cups in St. Petersburg gesehen hat. Vor dem 2:0-Erfolg der russischen Auswahl gegen Neuseeland hatte Präsident Wladimir Putin seinen Auftritt im neuen Stadion auf der Krestowski-Insel. Er war es, der das Turnier, das der Internationale Fußballverband wegen seiner mangelnden Attraktivität abschaffen möchte, zum Hort des totalen Triumphs von Fairplay, zum symbolischen Ort, an dem die weltweit gültigen Werte des Sports zelebriert werden, erkoren hat. Die Menge hat brav applaudiert.
50.000 Zuschauer sollen beim Spiel in dem überdimensionierten Stahl- und Beton-Ufo zugegen gewesen sein. Ausverkauft war das erste Spiel der Heimmannschaft nicht. Es hätten noch gut 6.000 Tickets mehr verkauft werden können. Die groß angelegte Werbekampagne, in der auf Anzeigen im Internet und in den großen Sportzeitungen sowie auf großflächigen Werbeplakaten in der Stadt für den Confed Cup geworben wurde, hat es immerhin vermocht, die Schüssel, die auch nicht viel anders wirkt als andere handelsübliche Stadionneubauten, lediglich zu füllen. Karten wurden für 960 Rubel (etwas über 14 Euro) beinahe schon verscherbelt. So billig war ein Sporttriumph selten zu haben.
„Verehrte Fußballfans, bitte nehmen Sie Ihre Plätze im Stadion ein. In wenigen Minuten beginnt die Eröffnungsfeier des Confederation Cup.“ Immer wieder schallte diese Durchsage aus den Lautsprechern des Vergnügungsparks, in dessen Nachbarschaft das Stadion errichtet wurde. Doch es hilft nichts. Kaum einer wollte das lustige Gehopse des wölfischen WM-Maskottchens Sabiwaka sehen. Es war der Helene-Fischer-Moment dieses ersten Turnier-Spieltags. Die russischen Fußballfans hatten einfach keine Lust auf die Show. Wladimir Putin übrigens auch nicht. Der wurde erst zwanzig Minuten vor Anpfiff mit dem Hubschrauber eingeflogen.
Ein paar Dankesworte an die russischen Gastgeber ließ sich auch Fifa-Präsident Gianni Infantino nicht nehmen. Auch er durfte sich über den höflichen Applaus der Fans freuen. Wahrscheinlich weiß er, dass es auch Fußballnationen gibt, in denen ihm die Herzen nicht gerade zufliegen. Ein Blick auf die Werbebanden im Stadion macht deutlich, wo er das Herz des Fußballs verortet. Neben der unvermeidlichen Partnerschaft zum Sportartikelhersteller Adidas zeigen die Schriftzüge des russischen Energieversorgers Gazprom, der Fluglinie Qatar Airways sowie der relativ frisch akquirierten chinesischen Firmen Wanda (Immobilien, Tourismus, E-Commerce, Einzelhandel und sonst noch was) und Vivo (Smartphones), wohin die Reise des Weltfußballs geht.
Dass das neue Riesenstadion eine Nummer zu groß ist für ein Spiel, wie es die Russen gegen Neuseeland abgeliefert haben, ist klar. Klar, die Russen waren besser und hätten auch höher gewinnen können, aber so richtig toll war der Auftritt der Mannen von Trainer Stanislaw Tschertschessow nun wahrlich nicht. Und er musste selbst schmunzeln, als er die Neuseeländer nach dem Spiel als Kontinental-Champions Ozeaniens über den grünen Klee lobte.
Tschertschessow wird wissen, dass das Spiel nicht mehr war als eine Generalprobe für die weiteren Gruppenspiele gegen Portugal und Mexiko. So wie der ganze Confed Cup nicht viel mehr ist als eine Generalprobe für die WM im nächsten Jahr. Die Helferschar der Volunteers darf schon mal ausprobieren, wie es so ist, den ganzen Tag am Flughafen zu stehen und zu warten, bis vielleicht mal jemand fragt, wie er an seinen Fan-Pass kommt. Der gilt als die große Errungenschaft des Turniers und soll zeigen, wie offen das Besuchern gegenüber sonst so abgeschlossene Land sich bei den Turnieren zeigt. Wer ein Ticket kauft, bekommt einen Fanpass, der das Visum für die Zeit des Turniers ersetzt.
Das findet auch ein notorischer Turnierreisender und Schwarzmarktkunde aus Deutschland, der vorm Stadion in St. Petersburg, seine Fan-ID abgeholt hat, gar nicht so schlecht. „Du kaufst eine Karte offiziell, dann kriegst du deinen Fan-Ausweis. Alle anderen Karten kannst du wie immer am Schwarzmarkt holen“, weiß er. Für ihn läuft das Turnier. Ein paar Fans aus Portugal, die auch gerade ihre Fan-ID geholt haben, sind dagegen ein wenig unglücklich. Sie stehen am Stadion und wollen nun auch ihre Eintrittskarten. Die gibt es aber woanders in der Stadt, wie eine junge Confed-Cup-Freiwillige, in bestem Schülerenglisch erklärt. Mit der U-Bahn sollen die Turniergäste fahren.
Die Portugiesen sind entsetzt. „Wir können doch kein Wort lesen“, sagt eine junge Frau aus Lissabon. Vierzig Minuten sind es nur noch bis zum Anpfiff. „Das schaffen Sie sowieso nicht mehr“, sagt die Helferin und lächelt. Die erste Etappe des Triumphs des Sports findet ohne die Reisegruppe aus Portugal statt.
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