piwik no script img

SPÖ will eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließen

ÖsterreichEin sehr elastischer Kriterienkatalog schafft Raum für Verhandlungen mit jedem

WIEN taz | Bundeskanzler Kern (SPÖ) hat am Mittwoch den lange erwarteten Tabubruch verkündet: eine Koalition mit der FPÖ ist nicht mehr prinzipiell ausgeschlossen. Die mehr als 30 Jahre gültige Vranitzky-Doktrin wurde in Form eines Kriterienkatalogs entsorgt.

Seit Wochen eierte die SPÖ herum. Alle Welt wusste, dass über eine Neudefinition des Verhältnisses zur FPÖ debattiert wurde. Aber von verschiedenen Funktionären wurden die unterschiedlichsten Varianten ins Leben gesetzt, bis hin zu einer allgemeinen Mitgliederbefragung. Während Wiens Bürgermeister Michael Häupl nach wie vor an den Rechten nicht anstreifen will, koaliert Hans Nießl im Burgenland seit zwei Jahren mit der FPÖ und wirkt dabei sehr glücklich. Er will, das diese Option auch auf Bundesebene zu einer echten Alternative zur quälenden Zusammenarbeit mit der konservativen ÖVP wird.

Und FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, der sich ständig über die „Ausgrenzung“ durch die SPÖ beschwerte, hat immer wieder angedeutet, dass ihm die Sozialdemokarten lieber wären als die Konservativen. Seit die ÖVP unter ihrem neuen designierten Chef Sebastian Kurz vor einem Monat die Koalition platzen ließ und Neuwahlen für den 15. Oktober angesetzt wurden, wurde der Druck größer, endlich Farbe zu bekennen.

Herausgekommen ist ein „Kriterienkatalog“ mit großer Elastizität. Er enthält sehr allgemeine Grundsätze, bei denen wohl auch die FPÖ mit kann: ein Bekenntnis zu Österreich und zu den Menschenrechten, eine klare Orientierung zur Europäischen Union, Priorität der sozialen Sicherheit, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die „Freiheit der Kunst“. Der Knackpunkt wird aber in den konkreten Ansagen für den Wahlkampf liegen, die die SPÖ mit einem künftigen Partner durchsetzen will. Da finden sich etwa die Wiedereinführung der Erbschaftsteuer und ein steuerfreier Mindestlohn von 1.500 Euro, was auch mit der ÖVP nicht zu machen sein wird. Ob die FPÖ aus heutiger Sicht als Partner in Frage käme, hat Kern nach einigem Drängen mit Nein beantwortet. Ralf Leonhard

Meinung + Diskussion

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen