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Koalitionskrise in FinnlandRegierung gerettet

Durch den Rechtsruck an der Spitze der Partei Die Wahren Finnen wäre beinahe die Regierung gescheitert. In letzter Minute fand sich eine Lösung.

Beinahe hätte Finnlands Ministerpräsident Juha Sipilä den Rücktritt seines Kabinetts verkündet Foto: dpa

Stockholm taz | Chaotische Zeiten in Finnland. Mit der Ankündigung von Ministerpräsident Juha Sipilä, die Koalition mit den Wahren Finnen nicht fortsetzen zu wollen, hatte bis Dienstagmittag alles auf ein Ende der Regierung aus rechtsliberaler Zentrumspartei mit der konservativen Sammlungspartei und den Rechtspopulisten hingedeutet. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse.

Eine Mehrheit der gegnwärtigen Reichstagsfraktion der Wahren Finnen teilte mit, man werde diese verlassen. Eine neue Fraktion, die sich Uusi vaihtoehto (Neue Alternative) nennt, wurde gegründet. Diese erklärte sich dann bereit, die bisherige Regierungszusammenarbeit auf der Grundlage des bestehenden Regierungsprogramms fortzusetzen.

„Wir werden nun sicher als Verräter gelten“, meinte der zum Vorsitzenden der neuen Fraktion gewählte Abgeordnete Simon Elo. Aber die Partei sei „von Kräften gekapert worden, die für eine Agenda stehen, die nichts mit der Politik zu tun hat, für die ich stehe und gewählt worden bin“.

Beim Parteitag am Wochenende war mit Jussi Halla-aho der umstrittene Repräsentant des rechten Flügels zum Vorsitzenden gewählt worden. Halla-aho hatte eine Verschärfung des Kurses der Partei vor allem in der Flüchtlings- und Europapolitik angekündigt.

Die Neue Alternative, die zunächst aus 22 der 37 Abgeordneten der Fraktion besteht, wollte diesen Schwenk nicht mitmachen. Ihr gehören neben dem bisherigen Vorsitzenden der Wahren Finnen, Außenminister Timo Soini, auch die übrigen vier MinisterInnen der Partei und die Parlamentspräsidentin an. Sie werden voraussichtlich ihre Posten behalten.

Nachdem Ministerpräsident Sipilä einen für Dienstagnachmittag bei Staatspräsident Sauli Niinistö vereinbarten Termin zur Einreichung seines Rücktrittsgesuchs in letzter Minute abgesagt hatte, teilte er auf einer kurzen Pressekonferenz in Helsinki mit, er werde den Fraktionen des Zentrums und der Sammlungspartei vorschlagen, zusammen mit der Neuen Alternative die bisherige Koalition fortzusetzen.

Die Zusammensetzung des Kabinetts solle ebenso beibehalten werden wie das bisherige Regierungsprogramm. Mit 108 der 200 Reichstagssitze hätte diese auch eine absolute Mehrheit im Parlament.

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1 Kommentar

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  • Schon erstaunlich: Da entdecken fast zwei Dutzend gänzlich überraschte Abgeordnete, dass sie über Jahre hinweg in einer Partei und Fraktion mit Rechtsradikalen saßen. Und als der Verlust der Regierungsbeteiligung droht, stellt man fest: Potztausend, die sind ja viel zu extrem! Wer hätte das gedacht, dass unsere Parteifreunde am Ende solche Rassisten sind, oder fremdenfeindlich, oder homophob?

    Und die anderen beiden Regierungsparteien freuen sich, dass sie sich keine neuen Partner suchen müssen und sie quasi freigesprochen sind von der Schuld, mit Rechtsextremen paktiert zu haben.

     

    Da hatten es die Konservativen in Norwegen bei der Regierungsbildung schon schwieriger, als sie der ausländischen Presse erst einmal erklären mussten, dass ihr Koalitionspartner ja nun wirklichwirklich nicht rechtspopulistisch ist und dass das alles ein großes Missverständnis gewesen sein muss.

    Dass sich die konservativen und liberalen Parteien im Norden (Schweden bisher größtenteils ausgenommen, aber in Norwegen, Dänemark und Finnland sehr wohl) so bereitwillig dafür hergeben, rechtspopulistische und -extreme Parteien reinzuwaschen, lässt für die Zukunft der Mitte-Rechts-Kräfte in Europa wenig Gutes erwarten.

    Die ansonsten bewährte und löbliche nordische Kompromiss- und Konsenskultur treibt im Umgang mit den Rechten leider einige wenig wohlriechende Blüten.