: Erneut Zweifel
Humboldtforum Kreuzdebatte: Und wieder trennt man in Berlin Ost und West
Nicht im Zweifel für das Kreuz, sondern mit ZWEIFEL für das Kreuz. Das, dachten wohl die Gründungsintendanten des Berliner Humboldtforums, sei besonders schlau gedacht. Nach dem Motto suum cuique, jedem das Seine, dann gleicht sich’s aus. Das Kreuz den Preußenfans und den christlich Verwurzelten und die Neonschrift des norwegischen Künstlers Lars Ø. Ramberg den lästigen anderen, den Zweiflern an der Berechtigung des Kreuzes auf einem säkularen Museum wie die Stiftung Zukunft Berlin.
Von Westen über den Boulevard Unter den Linden her kommend sähe der Flaneur die rekonstruierte Schlossfassade und das goldene Kuppelkreuz, von Osten her kommend sähe die Flaneuse die zeitgenössische Fassade des Humboldtforums, nach dem Entwurf des Architekten Frank Stella, an der die acht Meter hohen Aluminiumlettern mit eingelassenen Neonröhren das Wort ZWEIFEL formulierten. Schon einmal, von 2003 bis 2005, strahlten sie vom Dach des Palasts der Republik in die Berliner Nacht. Der Abriss des asbestsanierten DDR-Baus war da schon beschlossene Sache.
Frank Stella ist verständlicherweise von der Idee nicht begeistert und wehrt sich gegen das Ansinnen. Der Künstler dagegen würde selbstverständlich seinen ZWEIFEL sofort wieder auspacken. Und Klaus Lederer, der Kultursenator, der sich gegen das Kreuz ausgesprochen hat, findet das mit dem Schriftzug eine gute Idee, „völlig unabhängig von der Kreuz-Debatte“, wie er im Tagesspiegel sagt. Das aber kann nicht sein. Wenn ZWEIFEL, dann auf der Kuppel, statt dem Kreuz. Denn wo es seinen Ort findet, ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Kunstwerks und ebenso für das Selbstverständnis der Stadt.
Denn nach dem Motto suum cuique, dem Osten wie dem Westen, geht das nicht. Dem Osten gönnt man großzügig die „Reminiszenz an den zerstörten Palast der Republik“ und den Zweifel als „Kernelement der preußischen Aufklärung“, wie die Intendanten sagen. Dinge, die im Westen offenbar nichts verloren haben. Denn dort feiert man das 19. Jahrhundert, das Preußen- und das Christentum.
Und baut an einer neuen symbolischen Mauer durch die Stadt. Brigitte Werneburg
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