Neuwahl und Wahlgesetz in Italien: Wählen nach deutschem Vorbild
Im Herbst wollen alle Parteien des Landes sich an der Urne messen lassen. Dazu haben sie in seltener Einmütigkeit ein Wahlgesetz beschlossen.
Matteo Renzis Partito Democratico (PD), Silvio Berlusconis Forza Italia, Beppe Grillos Movimento5Stelle (M5S), aber auch die fremdenfeindliche Lega Nord unter Matteo Salvini einigten sich in den letzten Tagen auf die Wahlrechtsreform. Diese sieht ein System vor, das an das deutsche Wahlrecht angelehnt ist. Die Hälfte der Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat soll in den Wahlkreisen, die andere Hälfte über Listen der Parteien vergeben werden. Außerdem soll auch die Fünfprozenthürde gelten, um der Zersplitterung des Parteiensystems Einhalt zu gebieten.
Es gibt allerdings auch klare Unterschiede zum deutschen Modell. So ist die Unterscheidung in Erst- und Zweitstimme nicht vorgesehen. Wer zum Beispiel in Rom-Ost den Wahlkreiskandidaten der Fünf Sterne wählt, hat damit auch automatisch für die M5S-Liste votiert. Und so kann keine Regelung zu Überhang- und Ausgleichsmandaten eingeführt werden. In Italien steht in der Verfassung, dass die beiden Häuser des Parlaments aus 630 Abgeordneten und 315 Senatoren bestehen.
Für eine – zur Schaffung von Ausgleichsmandaten nötige – Verfassungsänderung fehlt die Zeit, da alle größeren Parteien so schnell wie möglich an die Urnen wollen. Eilig hat es vorneweg Exministerpräsident Matteo Renzi, der in Urwahlen als Chef der gemäßigt linken PD bestätigt wurde. Renzi hatte 2016 zurücktreten müssen, weil seine Verfassungsreform von 60 Prozent der Wähler verworfen worden war. Seitdem strebte er ein schnelles Comeback an. Nicht zuletzt ist seine Sorge, dass der im Herbst zur Verabschiedung anstehende Staatshaushalt 2018 mit seinen vielen sozialen Härten die Wahlchancen der PD trüben könnte. Gegenwärtig liegt die PD in den Meinungsumfragen bei 27 bis 30 Prozent.
Berlusconi is back
In vielen Umfragen gleichauf, in manchen dagegen auch vor der PD finden sich Beppe Grillos Fünf Sterne. Angesichts ihrer Stärke drängten sie schon seit Dezember auf Neuwahlen. Skeptisch war dagegen bisher Berlusconi, dessen FI nur noch für 12 bis 13 Prozent gut ist. Doch das sich jetzt abzeichnende Proporzsystem kommt ihm entgegen: Berlusconi träumt von einer Koalition an der Seite Renzis, und ausgerechnet jener Mann, der noch im Jahr 2014 als erledigt galt, wegen seiner Skandale und seiner Vorstrafe, wäre dann wieder ein zentraler Spieler in der italienischen Politik.
Erst recht gefällt das „deutsche“ System der Lega Nord, die in den Umfragen ebenfalls mit 12 bis 13 Prozent abschneidet. Die Lega hat regionale Hochburgen im Norden, im Veneto oder in der Lombardei, und darf dort auch auf zahlreiche Direktmandate hoffen. Chancen auf einen Einzug ins Parlament könnte sich auch eine radikal linke Liste erhoffen, wenn die Sinistra Italiana (SI) und die aus den Reihen der PD ausgescherten Vertreter des Movimento Democratico e Progressista (MDP – Demokratisch-progressive Bewegung) sich vereinen. Völlig unklar ist hingegen, wie in Italien nach den nächsten Wahlen eine regierungsfähige Mehrheit aussehen könnte.
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