piwik no script img

Kommentar zur Krise in MazedonienMit allen Mitteln

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

In Mazedonien klammert sich die nationalistische VMRO an die Macht. Sie sieht sich als einzig legitime Vertreterin der slawisch-mazedonischen Nation.

Zoran Zaev, Chef der oppositionellen Sozialdemokraten, wird aus dem erstürmten Parlament in Sicherheit gebracht Foto: reuters

D ie bärtigen Kämpfer der „Innermakedonischen Revolutionären Organisation“ (VMRO), die 1934 zusammen mit den kroatischen Ustaschakämpfern den serbischen König in Marseille ermordeten, werden in Mazedonien bis heute als Volkshelden gefeiert. Die VMRO existierte über 60 Jahre nur im Untergrund. In den ersten demokratischen Wahlen 1991 jedoch stieg die Organisation triumphal aus der Asche und wurde zur stärksten Partei in dem gerade einmal von zwei Millionen Menschen bewohnten Land.

Die VMRO fühlt sich als Hüterin der slawisch-mazedonischen Nation. Und nur ihr kann es demnach zukommen, das Land zu regieren. Der bisherige Ministerpräsident Nikola Gruevski ist ein Produkt dieses Denkens. Mit all den Attributen des Größenwahns: die VMRO beruft sich sogar auf Alexander den Großen, einen Griechen, als Urvater der mazedonischen Nation.

Die Demokratie war so lange gut, wie die stärkste Partei in ihr ihren Machterhalt sichern konnte. Doch angesichts der Korruption bröckelte der Rückhalt in der Bevölkerung. Die Antwort war die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, die Behinderung der Opposition, ein Geheimdienststaat. Dass es den Sozialdemokraten im letzten Jahr gelang, slawische Mazedonier, Albaner und Roma gemeinsam in eine multinationale Opposition zu integrieren, bedrohte dann die Macht der VMRO endgültig.

Auch Albanerführer Ali Ahmeti konnte sich dem nicht mehr entziehen. Jahrelang an die VMRO gefesselt, konnten die auf EU- und Nato-Mitgliedschaft ausgerichteten Albaner im letzten Jahr nicht mehr akzeptieren, dass Gruevski mehr und mehr ins Fahrwasser Wladimir Putins geriet. Noch ist die neue Regierung nicht gebildet. Die VMRO verfügt über Schlägertrupps, wie jene, die am Donnerstag in das Parlament einfielen, sie beherrscht den Geheimdienst und die Armee. Sie wird versuchen, mit allen Mitteln ihre politischen Gegner auseinanderzudividieren.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!