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Ein bisschen Glanz in der Provinz

EX-HERTHANER ALVES IST TOT

Alves entpuppte sich als hervorragendes Aushängeschild für Hertha: beide waren kapriziöse Diven

Mit Mitte oder Ende 30 beginnt für einen Profifußballer ein neuer Lebensabschnitt. Er muss sich Gedanken machen, wie er sich künftig seine Zeit vertreibt, ob er ein Studium aufnimmt, einen Trainerschein macht, wie er sein in den Vorjahren angehäuftes Geld verwaltet und investiert. Alex Alves wäre mit 37 Jahren ein Kandidat für solche Gedanken gewesen. Stattdessen ist sein Leben schon vorbei: Vergangenen Mittwoch starb er an den Folgen einer Knochenmarkserkrankung.

Bis heute ist Alves der teuerste Einkauf in der Vereinsgeschichte von Hertha BSC. 15 Millionen Mark hatte der damalige Manager Dieter Hoeneß im Jahr 2000 für den weitgehend unbekannten Brasilianer springen lassen – in der Hoffnung auf Glamour, südländischen Spielwitz, einen weiteren Schritt weg vom Image des provinziellen Hauptstadtklubs.

Hertha wollte möglichst schnell Meister werden und Berlin eine Metropole. Mit jenem verqueren Selbstverständnis wurde Alves beladen. Der aber entpuppte sich nicht als Musterprofi, sondern als hervorragendes Aushängeschild für den Verein zu jener Zeit: Beide waren kapriziöse Diven. Nicht immer hatte der eigenwillige Star Lust auf die seriöse Ausübung seines Berufs, neben dem Platz hagelte es Geldstrafen fürs Fahren ohne gültigen Führerschein, er meldete sich mit Fußpilz krank und erschien zur Weihnachtsfeier in einem weißen Damenpelzmantel, der jedem Luden zur Ehre gereicht hätte.

Der Berliner lässt auch so einen Typen an sich ran: grobklotzig, infantil, bockig – alles egal, solange er ein großes Herz hat. An Alves konnte man sich reiben, am Stammtisch, im Boulevard, und wenig später jubeln, wenn er sein nächstes Tor mit dem brasilianischen Kampftanz Capoeira feierte. Heute ist da keine Reibung mehr, heute ist es nur noch glatt und konform. So gestanzt die Phrasen der Profis, so sauber die Fassaden der Stadt. Was seinen Charme und seine Leistung aus dem Rohen zieht, aus Extravaganz, gilt schnell als unbequem und mangelhaft.

Als vor ein paar Wochen die Nachricht von Alves’ schwerer Erkrankung kam, wunderte es nicht, dass der Einkommensmillionär von einst inzwischen mittellos war, nicht mal imstande, seine Behandlungen zu bezahlen. Es perfektionierte das Bild vom Gescheiterten. So bleibt von Alves nicht viel mehr als die Erinnerung an einen schrägen Vogel, der mal aus 52 Metern das Tor des Jahres geschossen hat. Mit kauzigen Charakteren muss man umgehen können. Gelingt das nicht, bleibt’s provinziell.

TORSTEN LANDSBERG

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