: „Mehr als Feuer ausmachen“
BRANDSCHUTZ Das Engagement und die Ausbildung bei der freiwilligen Feuerwehr ist heute nicht mehr so attraktiv wie früher. Doch viele Länder und Kommunen bemühen sich eindringlich um Nachwuchs
von Lukas Thöle
Stell dir vor, es brennt und keiner geht hin. Im Landkreis Aurich ist das kein bloßes Gedankenspiel: 16 der 39 freiwilligen Feuerwehrleute der örtlichen Wache in Upgant-Schott haben ihr Ehrenamt aus Protest gegen Sparmaßnahmen beendet (taz berichtete). Bei weiteren Austritten droht, was in Schleswig-Holstein schon alltäglich ist: die Pflichtfeuerwehr.
Es wäre die erste dieser Art in Niedersachsen und für Klaus-Peter Grote kein Grund zur Panik. Laut Vizepräsidenten des niedersächsischen Landesfeuerwehrverbandes bleibt die freiwillige Feuerwehr einsatzfähig. Die Mitgliederzahlen seien stabil. Die beliebten Kinderwehren würden leichte Rückgänge bei der Jugendfeuerwehr auffangen. Schon die Kleinen lernen dort, was beim Brandschutz wichtig ist.
In Mecklenburg-Vorpommern hingegen gingen die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr seit 2004 von 28.011 auf 25.344 zurück. „Insgesamt gibt es einen Mitgliederverlust“, sagt Ronny Meyer, Sprecher der Feuerwehr in Mecklenburg-Vorpommern, „da nur ein Drittel in den aktiven Dienst ihrer jeweiligen Feuerwehr übertritt.“ Schuld seien fehlende Zukunftsperspektiven in der Region. Häufig mangele es an Berufsausbildungsmöglichkeiten vor Ort. Dennoch: „Mancherorts wird das kulturelle und gemeinschaftliche Leben nur durch die Feuerwehr am Leben erhalten“, betont Meyer.
Sein Kollege aus Schleswig-Holstein, Holger Bauer, bestätigt das: „Die Leute erkennen, dass Feuerwehr mehr ist als Feuer ausmachen.“ Bauer sieht einen privaten und beruflichen Mehrwert darin, im Team zu arbeiten und eigene Stärken herauszufinden.
Um Mitglieder zu gewinnen, setzt die Feuerwehr im nördlichsten Bundesland auf verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Im vergangenen Jahr warben die Wehren mit dem Spruch „Wenn Feuer wär und es gäb keine Feuerwehr – was meinst du, was für Feuer wär“ auf über 300 Plakaten. Und ein regionaler Radiosender spielte an 13 Wochenenden kurze Themenspots, in denen Feuerwehrleute von ihrer Arbeit erzählten.
Das scheint zu wirken: Die Zahl der Mitglieder ist im dritten Jahr in Folge gestiegen. Waren es 2013 noch 48.104 Feuerwehrleute, können die BürgerInnen in Schleswig-Holstein aktuell auf 48.649 Freiwillige zählen. „Wir hoffen auf einen anhaltenden Trend“, sagt Bauer. Einziger Wermutstropfen: Da viele Führungskräfte nur eine Periode lang im Amt blieben, herrsche mehr „Fluktuation“. Die Landesfeuerwehrschule böte nicht genügend Lehrgangsplätze an, um den Bedarf aufzufangen.
Auch die niedersächsische Landesregierung kennt das Problem: Innenminister Boris Pistorius (SPD) kündigte kürzlich an, wegen des gestiegenen Lehrgangsbedarfs 78,2 Millionen Euro in die Landesfeuerwehrakademie in Celle zu investieren. Laut deren Vizepräsident Klaus-Peter Grote hat sich die Ausbildungssituation inzwischen verbessert.
Inhaltlich würden sich die Ausbildungen in den Freiwilligen und Berufsfeuerwehren nicht unterscheiden, sagt Meyer. „Die Inhalte werden jedoch unterschiedlich tief vermittelt.“ Die Ehrenamtlichen müssten sich neben ihrem Beruf weiterbilden – und zwar mindestens 210 Stunden. So lange dauert die Grundausbildung zum „Truppmann“.
Dagegen dauert die Ausbildung bei der Berufsfeuerwehr 18 Monate und umfasst theoretische Grundlagen wie die Löscheinsatzlehre. Auch praktische Übungen mit Atemschutzgeräten und Sport gehören dazu. Auszubildende bei der Feuerwehr lernen ebenfalls im Rettungsdienst zu arbeiten. Je nach Familienstand verdienen sie zwischen 1.060 Euro (in Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) und 2.200 Euro in Hamburg.
Wer bei der Feuerwehr anfangen will, sollte körperlich fit sein. So erwartet die Bremer Feuerwehr, dass BewerberInnen eine Strecke von 200 Metern unter drei Minuten schwimmen können und für drei Kilometer weniger als 13 Minuten benötigen. AnwärterInnen müssen zusätzlich eine theoretische Prüfung bestehen und eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen. Letzteres soll sich zumindest in Hamburg bald ändern: Die Feuerwehr überlegt, die handwerkliche Qualifikation in die Ausbildung zu integrieren. „Dann könnten sich auch Personen ohne vorherige Ausbildung bewerben“, sagt Jan Ole Unger von der Hamburger Feuerwehr.
Abschreckend wirken die Anforderungen nicht: In Neumünster in Schleswig-Holstein kommen jährlich 150 BewerberInnen auf drei freie Stellen. Im gesamten Bundesland insgesamt bildet die Feuerwehr jedes Jahr 30 bis 50 AnwärterInnen aus. „Die Abbrecherquote geht wegen des schwierigen Auswahlverfahrens gegen null“, sagt Sven Kasulke, Leiter der Berufsfeuerwehr in Neumünster. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es mehr BewerberInnen als freie Stellen. Und die Feuerwehr in Hamburg will bis 2020 jährlich 120 statt wie bisher 80 BewerberInnen annehmen, um auf den durch Altersabgänge gestiegenen Einstellungsbedarf zu reagieren.
Unter den derzeit 323 Auszubildenden der Hamburger Feuerwehr befinden sich nur zwölf Frauen. In Bremen ist die Situation ähnlich. „Es ist schwierig, Frauen für diesen Beruf zu finden“, sagt Tanja Schmitz, Frauenbeauftragte der Feuerwehr Bremen. Sie würde gern mehr Mitarbeiterinnen einstellen. Aber die Bewerberlage sei schlecht: Aktuell hätten sich auf 20 freie Stellen 285 Männer und nur 23 Frauen beworben. Auch in Mecklenburg-Vorpommern kommen auf 100 Bewerbungen maximal fünf Frauen.
„Die Berufsfeuerwehr sucht nicht gezielt nach Frauen, sondern nach geeigneten Bewerbern“, sagt die Landesfrauenbeauftragte aus Mecklenburg-Vorpommern, Inis Reckling. Vorurteile gäbe es in der Feuerwehr nicht mehr. Kameradinnen übernähmen die gleichen Aufgaben wie die Männer. Auch die Abbruchquote sei bei Frauen nicht höher. Eine Frauenförderung gibt es dennoch: „Die Motivation dafür ist aber nicht im Mitgliederschwund, sondern in der allgemeinen Stärkung der Feuerwehr zu suchen“, betont Reckling.
Laut Patricia Born vom „Netzwerk Feuerwehrfrauen“ ist auch die Freiwillige Feuerwehr auf gutem Wege. Seien Frauen früher noch als untauglich und nicht belastungsfähig genug empfunden worden, würden sie inzwischen bis in die höchsten Dienstgrade aufrücken. „Eine gemeinsame Zukunft ist also normal“, sagt Born.
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