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„Die Marktwirtschaftist eine Machtwirtschaft“

Konferenz Alternative Ökonomen trafen sich in Bremen, um Rudolf Hickel zu ehren

BREMEN taz | Dürfen Wirtschaftswissenschaftler parteiisch sein? Mit dieser heiklen Frage brachte der Moderator von Radio Bremen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion im „Haus der Wissenschaft“ in die Bredouille. Der „Wirtschaftsweise“ Peter Bofinger bekannte sich zu seinen guten Absichten. Ansonsten seien Geisteswissenschaften „nicht so objektiv wie Naturwissenschaften“, so das Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR). Man könne schließlich keine Live-Experimente machen nach dem Motto: Die eine Hälfte kriegt den Euro, die andere nicht.

An Sendungsbewusstsein mangelte es auf der Konferenz „Herausforderungen für Politik und ökonomische Wissenschaft im 21. Jahrhundert“ nicht, die das Rektorat der Universität Bremen zu Ehren des Ökonomen Rudolf Hickel veranstaltete. Geladen waren rund 100 mehr oder weniger „alternative“ Geisteswissenschaftler. So plädierte UN-Beraterin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geradezu leidenschaftlich für eine energische Umsetzung der Energiewende.

Mit Emissionzertifikaten sei dies nicht möglich oder sie müssten viermal so teuer wie heute werden. Auch sei es zeitlich dringend geboten, mit dem vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beginnen. Begeistern konnte sich die Sachverständige im Rat für Umweltfragen der Bundesregierung für „Bürgerenergie“: Fast die Hälfte der Windmühlen, Pflanzenenergieanlagen und Sonnenkollektoren wird so von Bürgern finanziert.

Diese „Bürger“ dürften davon finanziell erheblich profitieren. Nur die Ausgegrenzten der Gesellschaft – laut „Wirtschaftsweise“ Bofinger allein verantwortlich für den Aufstieg des Rechtspopulismus – werden von dem grünen Mehrwert wenig erhalten. So aber dürfte das grundlegende Problem der Ungleichheit erhalten bleiben. Peter Herrmann vom Institut für politische und soziale Studien in Rom wies denn auch auf „Klassenkonflikte in neuer Form“ hin. Die heutige Marktwirtschaft sei in Wirklichkeit eine „Machtwirtschaft“, ergänzte Heinz-Josef Bontrup, Sprecher der Memo-Gruppe.

Rudolf Hickel wiederum sieht die Voraussetzung seiner Beobachtungen in dem Umstand, dass alle Akteure „von Interessen geleitet werden“. Diese Interessen sollte die Ökonomik offenlegen. Ohne Ansehen der Person. Dann dürften Wirtschaftswissenschaftler auch politisch Position beziehen. Hickel tut dies zugunsten eines „sozial temperierten Kapitalismus“. Der leidenschaftliche Hochschullehrer, Schlichter, Politikberater, Allianz-Aufsichtsrat feierte im Januar seinen 75. Geburtstag. Hermannus Pfeiffer

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