Volksentscheid zum Flächenfraß in Hamburg: Lagerhallen fressen Stadt auf
Der Nabu will einen Volksentscheid vorbereiten, um Hamburgs Grün zu erhalten. Jedes Jahr wird eine Fläche von zwei Dritteln der Außenalster zubetoniert.
Der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke warf dem Senat eine Salamitaktik vor. In Sonntagsreden werde die grüne Stadt gelobt, tatsächlich aber hier eine Ecke vom Landschaftsschutzgebiet abgetrennt und dort eine Feuchtwiese zubetoniert. „Die einzelnen Eingriffe werden bagatellisiert“, sagt Porschke. Unterm Strich verschwänden aber jedes Jahr große Flächen unter Asphalt und Stein.
Nach Senatsangaben ist in den vergangenen 15 Jahren auf diese Weise Jahr für Jahr eine freie Fläche verschwunden, die größer ist als die Binnenalster. Weil die Grundstücke unterschiedlich dicht bebaut sind, ist aber nur ungefähr die Hälfte davon im engeren Sinne versiegelt, also tatsächlich bedeckt.
Der Grünflächenverbrauch hat sich in den letzten fünf Jahren durch den Wohnungsbau noch zugespitzt: Ziel des Senats ist es, jedes Jahr 10.000 statt bisher 5.000 Wohnungen zu bauen. Im vergangenen Jahr hat er allein 12.000 genehmigt. Dazu kommen Industriebauten, Logistikzentren und Straßen.
Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat 2000 bis 2014 jährlich um 196 Hektar zugenommen.
Der Versiegelungsgrad ist jedoch verschieden: Bei Gleisanlagen wird er etwa mit 50 bis 60 Prozent angesetzt, bei Gewerbeflächen mit 80 bis 90 Prozent.
Die tatsächlich versiegelte Fläche nahm von 1999 bis 2012 um zwei Prozent (1.500 Hektar) zu – um gut 100 Hektar im Jahr.
Die Außenalster ist 160 Hektar groß.
„Es ist die Summe, der einzelnen Teile, die zum Problem geworden ist“, sagt Porschke. Er kritisiert, dass sich der Senat vielerorts nicht mehr an lange Zeit geltende städtebauliche Grundsätze halte, etwa das Fächerkonzept des ehemaligen Oberbaudirektors Fritz Schumacher, das eine Bebauung entlang von Entwicklungsachsen vorsieht, mit grünen Freiflächen dazwischen.
Der Nabu schlägt vor, diese Entwicklungsachsen zu verlängern, statt dazwischen zu bauen. Er fordert, höher zu bauen und Einfamilienhaussiedlungen zu verdichten. Einstöckige Supermärkte und Lagerhallen müssten der Vergangenheit angehören.
Auch der Senat versucht, dem absehbaren Ausverkauf der Flächen entgegen zu steuern. Die Stadtentwicklungsbehörde lässt Brachflächen, Höfe und ehemalige Bahn- oder Industrieareale bebauen.
Die Umweltbehörde unter der Führung des Grünen Jens Kerstan hat vor einem halben Jahr den „Naturcent“ durchgedrückt: Für neue Gebäude muss eine Abgabe bezahlt werden: umso höher, je dichter gebaut und je mehr versiegelt wird. Mit dem Geld sollen Parks und Naturschutzgebiete gepflegt werden – eine sinnvolle Sache, wie Porschke findet.
Außerdem hat Kerstan vor drei Jahren ein Förderprogramm für begrünte Dächer aufgelegt. 55 Hektar sind seither durch das Programm und durch Vorgaben in Bebauungsplänen begrünt worden – 100 sollen es bis 2020 werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene