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Bildungsspende erbeten

Elternbund Hamburg Ost will mehr Migrantenkindern zum Abitur verhelfen. Gesucht werden „Menschen mit Zeit“ als Hausaufgabenhelfer

„Wenn ein Kind fragt: ‚Was ist Akkusativ?‘, wissen die Eltern nicht weiter“

von Kaija Kutter

Mit einem ungewöhnlichen Anliegen wendet sich Mehmet Karakurt vom „Elternbund Hamburg Ost“ an die Öffentlichkeit: Er sucht „akademisch gebildete Menschen mit Zeit“, die bereit sind, ehrenamtlich Migrantenkindern der Klassenstufen 4 bis 7 in Billstedt-Horn bei den Schularbeiten zu helfen. In Horn schaffen nur 27 Prozent der Grundschüler den Sprung aufs Gymnasium, hamburgweit sind es 42 Prozent.

Als vor einem Jahr die Schulschließungsdebatte begann, hatte der Vater einer Viertklässlerin noch größere Pläne. Die Bildungsbehörde prognostizierte trotz steigender Kinderzahlen sogar noch einen Rückgang der Quote und ließ das einzige Gymnasium im Viertel schließen. Karakurt kündigte an, ehemalige Abiturienten mit Migrationshintergrund für Hausaufgabenhilfe und Förderung zu engagieren. „Wir müssen unsere eigenen geistigen Kräfte mobilisieren“, erklärte er damals. Wichtig sei, dass Schüler, die ihr Abitur schaffen, im Stadtteil als „Vorbild“ fungierten.

Die Idee scheiterte jedoch am Geld. Statt der beantragten 6.000 Euro erhielt der Migrantenelternbund nur 1.500 Euro aus bezirklichen Sondermitteln, was, so Karakurt, gerade mal für „eine Honorarkraft“ reiche. Die externe Hilfe sei aber nötig, „weil unsere Eltern den Kindern nicht weiterhelfen können“, berichtet Karakurt: „Wenn ein Kind abends fragt: ‚Mama, was ist Akkusativ?‘, wissen die nicht weiter.“ Kommerzielle Hilfe könnten sich viele Eltern aber nicht leisten.

Was Karakurt beschreibt, kann auch Wissenschaftlerin Ursula Neumann bestätigen. So werde die meiste Energie in die vorschulische Sprachförderung investiert. Das reiche nicht aus, so Neumann, „weil die spezifische Schulsprache nicht am Anfang gelernt werden kann“. Die Fachlehrer benutzten diese Schulsprache, sähen die Vermittlung aber nicht als ihre Aufgabe.

Doch hätten Migranteneltern diesen Nachteil inzwischen bemerkt, weshalb es einen Markt für neue Förderprojekte gebe. An der Uni startete Neumann selbst vor zwei Wochen den inwischen ausgebuchten „FörMig-Treff“, der es 220 SchülerInnen erleich-tern soll, deutsche Schul-Hürden zu überwinden.

In Altona betreibt der Bildungsträger Verikom seit Februar mit „Kendi“ ein echtes Mentorenprojekt, wie es Karakurt vorschwebte: Schüler dreier Integrierter Haupt- und Realschulen bekommen dort „Abiturienten, die schon an der Uni sind, als Mentoren zugewiesen“, berichtet Leiter Jens Schneider. Zielgruppe sind auch hier Schüler mit Potenzial, denen das Selbstbewusstsein fehlt, um den Sprung auf die Oberstufe zu wagen. Die Mentoren sollen hier den „älteren Bruder“ oder die „ältere Schwester“ ersetzen, die als MigrantIn ähnliche Schulerfahrungen machte.

„Kendi“ enstand nach holländischem Vorbild, wo es bereits 40 Mentorenprojekte gibt, und wird als Pilot für Hamburg von der „Aktion Mensch“ finanziert. Schneider hält es für denkbar, dass auch der Elterbund Ost noch Sponsoren findet.

Kontakt: Karakurt, ☎ 69 66 83 70

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