: Der fiese blaue Feind
Nichtschwimmer Vor zehn Jahren wurde der Eichbaumsee wegen der Blaualgen gesperrt und alle Rettungsversuche scheiterten. Letztlich ist der See an seiner Beliebtheit erstickt
von Sven-Michael Veit
Der Eichbaumsee ist wohl nicht mehr zu retten. Er ist förmlich an seiner Beliebtheit erstickt. Dieser Sommer wird der zehnte sein, in dem der See, in dem sich früher mindestens 30.000 Badegäste pro Saison tummelten, gesperrt bleibt. „An der zu hohen Nährstoffbelastung des Sees hat sich nichts geändert“, begründet Jan Dube, Sprecher der Umweltbehörde, das Badeverbot. Und Helmut Hoffmann, Leiter des Fachamtes für Verbraucherschutz und Umwelt im zuständigen Bezirksamt Bergedorf, befürchtet gar „eine Explosion der Blaualgen“, sollte der See für Badende freigegeben werden.
Im Sommer 2007 wurde das Sorgenkind unter Hamburgs Gewässern zum ersten Mal wegen zu vieler Blaualgen gesperrt. Damals nannte die Umweltbehörde das Verbot „die wahrscheinlich letzte Chance, das mit Nährstoffen hoch belastete Gewässer als Badesee zu erhalten“. Zwei Jahre später sollte er wieder freigegeben werden.
Der See in den Vier- und Marschlanden zwischen der Autobahn A 25 und der Dove Elbe wurde Mitte der 1970er-Jahre ausgebaggert, als Sand für den Autobahnbau gebraucht wurde. Etwa einen Kilometer ist er lang, knapp 300 Meter breit, bis zu 16 Meter tief – und er hat keine Verbindung zu anderen Gewässern, auch nicht zu der nur wenige Meter entfernten Dove Elbe. Er ist bundesweit berüchtigt für seine regelmäßigen Blaualgen-Epidemien.
Blaualgen gehören zu den Cyanobakterien und können die Wasserqualität stark vermindern. Sie produzieren Stoffe, die Fische und Plankton schädigen können, einige Arten können auch für Menschen gesundheitsgefährdend sein. Nach dem Absterben werden die Cyanobakterien mikrobiell abgebaut, wodurch die Sauerstoffkonzentration im Gewässer stark verringert werden kann. Die Folge kann Fischsterben sein.
Ein wesentlicher Faktor für das starke Algenwachstum waren die vielen Menschen, die in heißen Sommern zum Eichbaumsee kamen. Bis zu 1.000 Menschen badeten dort werktags in den Sommermonaten, an schönen Wochenenden noch viel mehr. Und jeder Badende bringt etwa 100 Milligramm Phosphor ins Wasser ein, Unterwasserpinkler deutlich mehr. Während einer gewöhnlichen Badesaison wurde das stehende Gewässer also mit etlichen Kilo Phosphor angereichert – für die Blaualgen eine Wohltat.
Die zweite Ursache ist eine geologische Besonderheit. Beim Sandabbau für die A 25 trafen die Bagger in rund 16 Metern Tiefe auf Sedimente aus der Eiszeit mit Resten uralter Wälder. In ihnen sind hohe Konzentrationen unterschiedlicher Gase und anderer Stoffen gebunden – darunter auch in großen Mengen Phosphor. Der löste sich im warmen Wasser und führte vor allem im Sommer immer wieder zu Blaualgen-Seuchen.
Mindestens 1,7 Millionen Euro hat die Stadt inzwischen investiert, um den See zu retten. Zwei Anlagen zur Tiefenwasserbelüftung auf dem Grund reicherten das Wasser mit Sauerstoff an – zunächst mit Erfolg. Dann kamen mehrere heiße Sommer in Serie und der Zustand des Sees verschlechterte sich wieder. Denn im warmen Wasser vermehren sich Blaualgen explosionsartig, 2009 und 2012 kam es deshalb zu großen Fischsterben.
Als Fehlschlag erwies sich vor einigen Jahren auch der Versuch, die Fresskette zu manipulieren. Mehr als 300 Hechte wurden im See ausgesetzt, um den Bestand an Karpfen und anderen Weißfischen in Grenzen zu halten. Diese Fische fressen gerne Wasserflöhe, die der einzige natürliche Feind der Blaualge sind. Die Hechte jedoch fielen nahezu allesamt Anglern zum Opfer, die Karpfen blieben weitgehend unbehelligt – und die Blaualgen blühten wieder.
Um die Belastung speziell mit Phosphor zu senken, wird seit 2010 zusätzlich das natürliche Phosphor-Bindemittel Bentophos eingesetzt, mehr als 90 Tonnen wurden bislang ins Wasser gestreut. Dadurch verringerten sich die Nährstoffe soweit, dass sich weniger Algen entwickelten und das Wasser tatsächlich klarer geworden ist. Aber laut Umweltbehörde reicht es noch nicht und es wird auch in diesem Jahr mit einer Blaualgenblüte gerechnet.
So ganz will Dube von der Umweltbehörde die Hoffnung jedoch nicht aufgeben. „Wir bleiben dran und recherchieren weiter nach geeigneten Methoden“, sagt er. „Auch wenn wir noch keine nachhaltig wirksame Sanierungsmaßnahme gefunden haben, bleibt der See als Badegewässer angemeldet.“
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