Kommentar Mahnmals-Standort: Bockender Bürgermeister
Warum sich die SPD zur Schutzmacht des NS-belasteten Konzerns Kühne+Nagel macht, bleibt schleierhaft. Das „Arisierungs“-Mahnmal wirkt trotzdem.
Der Versuch, in Bremen ein „Arisierungs“-Mahnmal zu errichten, zeigt einen klassischen Konflikt zwischen Exekutive und Legislative. Der wurde in großem Stil kürzlich am Beispiel der Armenienresolution des Bundestages durchexerziert.
Aber in der Bremer Provinz? Warum die dortige SPD partout als Schutzmacht für die Interessen des Weltkonzerns Kühne+Nagel auftreten will, der so vehement seine NS-Geschäfte leugnete, bleibt ihr Geheimnis. Dass der Konzern sonst seine Arbeitsplätze aus Bremen abziehen würde, verweisen Firmen-Insider jedenfalls ins Reich der opportunen Legende.
Trotzdem bockt der Bremer Bürgermeister, wenn es darum geht, die gefühlte „Bannmeile“ um den Konzernsitz per Mahnmal zu durchbrechen. Misslich bei all dem auch die Missachtung des Stadtteil-Beirats. Die Platzierung von Kunst im öffentlichen Raum gehört zu dessen ureigensten Befugnissen, dennoch wurde er monatelang aus dem Verfahren herausgehalten. Was damit zusammenhängen könnte, dass sich dort eine Mehrheit dagegen abzeichnete, den Befindlichkeiten von Kühne+Nagel Priorität einzuräumen.
Trotz allem hat die taz-Initiative Wesentliches erreicht: Erstens hat sie der geschichtsverfälschenden Selbstinszenierung des Konzerns etwas Wirkungsvolles entgegengesetzt. Das hat Auswirkungen auch auf die Unternehmen und Institutionen vor Ort: Die Bremer Wirtschaft insgesamt ist jetzt eine Selbstverpflichtung eingegangen, sich mit ihrer NS-Geschichte zu befassen. Hier hat das SPD-geführte Kulturressort einen Verhandlungserfolg errungen. Der sollte aber nicht zur Verhandlungsmasse in Sachen Mahnmalstandort degradiert werden.
Zweitens ist ein Bewusstsein dafür geweckt, dass von der privaten Bereicherung im Holocaust in zahlreichen Familien eine Erbschaft bleibt, das bei vielen Beiträgen zum Ideenwettbewerb der taz für das Denkmal eine Rolle spielte. Das ist nachhaltig.
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