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Woche der Innovationspolitik in BerlinDie sozia­len Innovationen fehlen

Die deutsche Forschung bringt zwar wirtschaftliche Erfolge und trägt zur Wohlstandssicherung bei, vernachlässigt aber die planetare Verantwortung.

Energieversorgung, nachhaltige Landwirtschaft, gesunde Lebensmittel, biologische Vielfalt, das sind nur einige der Herausforderungen für die Wissenschaft Foto: dpa

Berlin taz | Die Biologisierung der Wirtschaft zeichnet sich als das nächste große Projekt der Innovationspolitik ab, wenn die derzeit ablaufende „Digitalisierung“ einigermaßen geschultert ist. Und: Die steuerliche Forschungsförderung kommt nach einem Jahrzehnt des Wartens nun doch in der nächsten Legislaturperiode. Zwei Themen aus mehreren Events, die sich im Berliner Regierungsviertel zu einer „Woche der Innova­tionspolitik“ verdichteten.

So hatten der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und die Nationalakademie Leo­poldina zu ihrem jährlichen „Forschungsgipfel“ geladen, auf dem eigentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel wegweisende Wissenschafts-Worte sprechen sollte. Die beehrte aber lieber tags darauf den Innovationskongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, um dort für mehr „Mut zur Zukunft“ zu plädieren.

Zuvor hatte das Bundeskabinett unter ihrem Vorsitz den Regierungsbericht zur „Hightech-Strategie“ beschlossen, den zentralen Aktionsplan zur Innovationspolitik, während zeitgleich die Abgeordneten im Bundestag Experten zur „Internationalisierung von Bildung, Wissenschaft und Forschung“ anhörten.

Zu guter Letzt lud Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) zur vierten „Zukunftsnacht“, einem Bürgerforum über die digitale Arbeitswelt von morgen. In der letzten Arbeitswoche vor der Osterpause lief das politische Berlin zu innovativen Höchstform auf.

In dieser Ballung wurde auch die Schlagseitigkeit der deutschen Forschungs- und Innovationspolitik gut erkennbar: Sie ist voll ausgerichtet auf wirtschaftliche Wertschöpfung und Wohlstandswahrung. Die großen gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen, die sich in Zeiten des Klimawandels und Anthropozäns immer drängender stellen, stehen allenfalls als Randpunkte auf der Forschungsagenda.

Strategische Leitlinie

Die seit 2006 verfolgte Hightechstrategie mit ihren sechs Zukunftsfeldern hat nach Worten von Forschungsministerin Wanka dazu geführt, dass heute Deutschland mit seinem Ein-Prozent-Anteil an der Weltbevölkerung zu den wirtschaftsstärksten Nationen der Welt zähle. Die Steigerung der FuE-Quote – dem Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben am Brutto-Inlandsprodukt von derzeit 3 auf 3,5 Prozent im Jahr 2025 sei die strategische Leitlinie. Von öffentlicher Seite bedeute dies einen Aufwuchs von 3,7 Mil­liar­den Euro jährlich, was zu 60 Prozent von ihrem Ressort zu schultern sei.

Wanka kündigte an, in Erweiterung bisheriger Ansätze der Biotechnologie und Bioökonomie ein Konzept zur „Biologisierung“ von Forschung und Innovation erstellen: „In meinem Hause ist dazu eine Blaupause in Arbeit“. Neue gentechnische Verfahren wie das „Genome Editing“ sollen dabei unter anderem in der Pflanzenzüchtung eine Rolle spielen.

Keine disruptiven Ideen indes lieferten die beiden Innovationskonvents von Wissenschaft und Politik dazu, wie die „Technikangst“ in Deutschland zu mehr Zukunftsoptimismus und Risikobereitschaft gedreht werden kann . „Damit Deutschland erfolgreicher Innovationsstandort bleibt, braucht es mehr Mut“, verlangte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, Michael Fuchs. Bundeskanzlerin Merkel machte in ihrer sachkundigen und noch vom Cebit-Besuch geprägten Ansprache deutlich, dass es bei den Appellen zum individuellen Mentalitätswandel auch auf staatliche Infrastrukturleistungen ankomme.

Bei der Umsetzung zu langsam

Der schleppende Breitbandausbau, die elektronische Gesundheitskarte und die digitale Signatur führte die Regierungschefin als Beispiele an, wo Deutschland in der Umsetzung noch zu langsam sei. Der Ausbau des 5G-Netzes für die fünfte Generation des Internet sei zentrale Voraussetzung für große Innovationsprojekte wie Industrie 4.0, automatisiertes Fahren oder neue digitale Geschäftsmodelle. Dies müsse aber gleich im europäischen Maßstab erfolgen, sagte Merkel an dem Tag, an dem Großbritannien bei der EU seinen Austritt anmeldete.

Die Notwendigkeit von „sozia­len Innovationen“ wurde stärker auf dem Forschungsgipfel der Wissenschaftler thematisiert. Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) verwies darauf, dass die sozialen Medien einerseits immer größere Verbreitung finden, andererseits die Marktplätze in den Städten zu „segregierten Orten“ werden und als Stätten gesellschaftlicher Begegnung verloren gehen.

Wie Forschung und Innovation aus Deutschland zu den ganz großen Aufgaben planetarer Verantwortung – Projekt Weltrettung – beitragen kann, das war aber auch hier kein Thema. Wie die Weltmeere gesäubert, die Tropenwälder erhalten und die Dekarbonisierung der Wirtschaft vorangebracht werden können, das sind allenfalls Nischenthemen auf der Innovationsagenda. Im Jahre 2030 wird man wohl sagen: Zu kurz gesprungen.

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