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Kräuter und Blüten zu Bränden

Hochprozentig Kleine Brennereien in Berlin und Brandenburg destillieren spannende Spirituosen. Neben Spreewaldgurken wachsen auch andere Zutaten dafür im Umland

„Der Absinth-Trinker“, Gemälde von Viktor Oliva aus dem Jahr 1901 Foto: Wikipedia/CC

von Volker Engels

Von Vincent van Gogh, Ernest Hemingway oder Oscar Wilde weiß man, dass sie leidenschaftliche Absinthtrinker waren. Inzwischen könnten sie ihrer Leidenschaft auch mit einem Absinth aus Berlin frönen. Denn in der Hauptstadt wird das Getränk, dem zahlreiche Künstler auch in ihren Bildern ein Denkmal gesetzt haben, seit zwei Jahren in kleiner Auflage produziert. Und zwar buchstäblich hausgemacht. In der heimischen Küche von Marco Rüdiger steht auf einem Stahltisch ein Destillator, mit dem er „La Berlinoise“ herstellt. Zusammen mit seinem Schweizer Kompagnon Christian Mock hat er „lange an der Rezeptur von Berliner Bränden gearbeitet und viel ausprobiert“, um ein ausgewogenes Verhältnis der Kräuter zu finden, die dem Absinth ihren typischen Geschmack geben. Neben Wermut gehören Anis, Fenchel, Ysop und Melisse zu den Inhaltsstoffen. Und natürlich Bio-Alkohol, der aus dem Schwarzwald kommt. „Unser Absinth ist zwar noch nicht biozertifiziert, wir nutzen aber ausschließlich Zutaten aus biologischem Anbau.“ Der Strom kommt aus erneuerbaren Energien. Die feinen Aromen, die dem Absinth seinen Geschmack verleihen, ziehen auch durch das Rixdorfer Treppenhaus von Marco Rüdiger: „Wenn man das Haus betritt, duftet es nach Fenchel und Anis.“ Gelagert werden die Flaschen, natürlich mit behördlicher Genehmigung, unter der Treppe.

Auch ohne den Zusatz von Wasser lässt sich der 53-Prozenter trinken. „La Berlinoise“ ist kein klassischer Bitterabsinth, man kann die ätherischen Öle im weichen Abgang herausschmecken“, erzählt Rüdiger. In der Regel wird dem Absinth vor der Verkostung aber Wasser zugesetzt: „Das eiskalte Wasser langsam eingeträufelt, so können sich die im Alkohol gelagerten Öle in eine Emulsion auflösen.“ Wer tiefer in die Welt des Absinths eintauchen will, hat beim Berliner Craft Spirits Festival Anfang April dazu die Gelegenheit. Unter dem Motto „Absinth, wie viel Mystik braucht ein Getränk?“ referieren Marco Rüdiger und sein Kollege Christian Mock über die Geschichte des Absinths. „Um angeschnittene Ohren“, sagt er augenzwinkernd mit Blick auf den Maler van Gogh, „wird es dabei auch gehen.“

Vincent Honrodts Leidenschaft an regional produzierten Bränden liegt sicher auch in seiner Familiengeschichte begründet: „Mein Urgroßvater Ernst war in den 30er Jahren Direktor einer Zuckerfabrik in der Nähe von Berlin. Damals brannte der Urgroßvater Spirituosen aus regionalen und hochwertigen Ingredienzen für Freunde und Familie“, erzählt der Gründer und Geschäftsführer der „Berliner Brandstifter“. Auch mit dem „Berlin Dry Gin“ will der gebürtige Berliner Honrodt diese Tradition fortsetzen. „Ich finde den Ansatz, auf regionale Zutaten zu setzten, sehr spannend.“ Für ihren Berliner Gin verwenden die „Brandstifter“ handgepflückte Blüten und Zutaten, die von einem Hof in Berlin-Gatow stammen. Der Geschmack von Wacholder sowie Holunder- oder Malvenblüten findet sich in dem Gin genauso wieder wie das Aroma von Waldmeister. „Wir wollten diese Düfte und Geschmäcker in die Flasche bringen.“ Abgefüllt und nummeriert werden die Flaschen per Hand.

Der Basisalkohol stammt aus dem Weizendestillat des Kornbrands. Pflanzliche Zutaten unterliegen eben auch natürlichen Schwankungen, wie zum Beispiel Sonnenschein oder Regenmengen. „Das kann dazu führen, dass ein Gin andere Geschmacksnuancen ausbildet als sein Nachfolger im nächsten Jahr“, sagt Horondt. Das sei ähnlich „wie bei guten Weinen“. Das Konzept überzeugt offensichtlich auch weit über den Berliner Raum hinaus: Im vergangenen Jahr bekamen die „Brandstifter“ bei der „New York International Spirits Competition“ in New York eine Goldmedaille als bester deutscher Ginproduzent des Jahres.

Auch ein wenig geschulter Gaumen erkennt sofort, wer die Federführung bei diesem geistigen Getränk übernommen hat: Knoblauch. Godehard Lies Inhaber der Spreewälder Spirituosen Manufaktur in Neuhausen, nutzt in Brandenburg geräucherten Knoblauch für seinen Spreewälder Knoblauchgeist. „Vor rund drei Jahren habe ich erstmals eine Probe mit Räucherknoblauch hergestellt, verkostet und für gut befunden.“ Durch das Räuchern verliere der Knoblauch seine Schärfe, „es entsteht ein mild-rauchiges Aroma“, das dem „Knoblauchgeist“ seinen typischen Charakter verleiht. Experimente mit Zutaten, die zumindest für Spirituosen nicht alltäglich erscheinen, sind für den gelernten Destillateur, der 20 Jahre in der „Cottbuser Konsum Kornbrand- und Likörfabrik Melde“ gearbeitet hat, nichts Neues: „Ich habe unter anderem einen Gurkenlikör im Sortiment, der wie frischer Gurkensalat schmeckt und riecht.“ Daher passe auch der Spreewälder Knoblauchgeist „sehr gut ins Portfolio hinein“.

Schnaps in der Bäckerei

Am 1. und 2. April 2017 findet zum sechsten Mal das Craft Spirit Festival Destille Berlin in der Kreuzberger Heeresbäckerei statt: Köpenicker Str. 16–17.

Über 80 deutsche und internationale Aussteller stellen ihre Produkte vor, mehr als 600 Spirituosen können kostenlos verkostet werden. Zugelassen sind nur handwerklich produzierte Spirituosen, die unabhängige Erzeuger mit natürlichen Zutaten herstellen. Begleitet wird das ­Festival von einem umfangreichen Vortragsprogramm.

Geöffnet ist das Festival am Samstag von 12 bis 20 Uhr, am Sonntag von 12 bis 19 Uhr. Der Eintritt kostet im Onlinevorverkauf 8 Euro, für beide Tage 14 Euro. Der Eintritt an der ­Tageskasse beträgt 10 Euro.

Weitere Informationen: www.destilleberlin.de

www.la-berlinoise.de

www.berlinerbrandstifter.com

www.spreewald-praesente.de

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