: Waffen in rechter Hand
Kein Überblick Die NPD rief nach den Übergriffen in der Silvesternacht zur Selbstbewaffnung auf, um Frauen und Familie vor Flüchtlingen zu schützen. Wie viele Waffen legal in der rechten Szene kursieren, wissen die Behörden nicht
Nach den sexuellen Übergriffen der Silvesternacht vor einem Jahr ging das rechte Milieu von AfD bis NPD zum Angriff über: „Wenn es der Staat nicht tut, müssen wir“, schrieb etwa der NPD-Landtagsfraktionsvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, auf seiner Facebook-Seite und rief dazu auf, sich „mit allen legalen Mittel und Möglichkeiten selber (zu) schützen“.
Pastörs, der bei den Landtagswahlen einige Monate später an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte, empfahl, dass „vor allem aber unsere Frauen“ den sogenannten Kleinen Waffenschein beantragen sollten, der zum Führen von Schreckschusswaffen berechtigt. Bereits am 13. Januar hatte der NPD-Landesverband eine Mitteilung herausgegeben, die mit „Selbstschutz für Frauen“ überschrieben war. Darin hieß es: „Wir raten nach den Asylanten-Sexmob-Attacken allen deutschen Frauen zum Selbstschutz, da der Staat offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, die Sicherheit der Bürger zu gewähren – oder es sich gegenüber Ausländern einfach nicht traut.“
Besser als Pfefferspray seien Schreckschusspistolen, erklärte die NPD: „Um diese allerdings in der Öffentlichkeit verdeckt tragen zu dürfen, bedarf es eines kleinen Waffenscheins.“ Die Lage, so die NPD, sei ernst: „Das Volk ist auf sich alleine gestellt bei der Abwehr plündernder und vergewaltigter Horden, die sich als ‚Flüchtlinge‘ ausgeben“, der Schutz der Familien sei nicht mehr gewährleistet.
Auf der Webseite der Partei wurde ein Leitfaden zur Beantragung des Kleinen Waffenscheins sowie die Adressen der Behörden veröffentlicht, bei denen der Antrag gestellt werden kann. Welchen Erfolg dieser Aufruf hatte, ist nicht bekannt: Bis heute wissen die Sicherheitsorgane und die zuständigen Behörden nicht genau, wie viele Rechtsextreme sich eine Schreckschuss-Waffe zugelegt haben.
Wie gefährlich Waffen in den Händen von Rechtsextremen sind, zeigt sich im Oktober vergangen Jahres, als der Tod eines Polizeibeamten Politik und Medien erschütterte. Der Reichsbürger Wolfgang P. im fränkischen Georgensgmünd hatte das Feuer auf die Polizisten eröffnet, als sie seine Waffen einziehen wollten.
Die ersten Medienanfragen an die Sicherheitsorgane offenbarten ein Wissensdefizit der Behörden: An die 400 Rechtsextreme, hieß es damals, verfügten über einen Waffenschein. Die Zahl geht allerdings auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner aus dem Jahr 2014 zurück. „Es fehlt der systematische Überblick“, sagt Renner. Das Bundeskriminalamt (BKA) räumte zudem ein, das die gewerblichen Anmeldungen von Rechtsextremen als Waffen- und Militariahändler nicht registriert sind, selbst wenn sie einschlägig vorbestraft sind.
Die Bundesregierung verweist in der Antwort auf die Anfrage der Linken auch auf den Datenschutz und die Zuständigkeit: Waffenrechtliche Prüfungen von Gewerbeanmeldern auf Zuverlässigkeit und Geeignetheit seien ausschließlich Sache der Ordnungsbehörden auf Landesebene. Mehr noch: das BKA wertete zwar jährlich aus, welche Rolle Waffen und Sprengstoff im Bereich der „politisch motivierten Kriminalität rechts“ gespielt haben. Die Datenbank LAPOS („Lagebild Auswertung politisch motivierter Straftaten”), in der die Meldungen über Ermittlungsvorgänge der Bundesländer erfasst werden, bildet die Basis. Eine Berichtspflicht der Länderpolizeien bestehe jedoch nur für Straftaten, in denen die Täter bewaffnet waren. Zufallsfunde von Waffen und Sprengstoff müssen ebenso wenig angegeben werden wie die Herkunft von Waffen und Sprengstoff. Die Weiterleitung von Informationen über Schießübungen ist ebenfalls freiwillig.
„Unter diesen Voraussetzungen sind bundesweite rechtsterroristische Umtriebe schwer zu erkennen und zu bekämpfen“, sagt Renner. Im Bundestag will sie erneut einen Kleine Anfrage stellen, um wenigstens einen groben Überblock über die legale Bewaffnung der Szene zu gewinnen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat unlängst eine Regelanfrage bei der Vergaben des Waffenscheins beim Verfassungsschutz ins Gespräch gebracht: Wenn Rechtsextreme erst Waffen hätten, sei es praktisch schon zu spät.
Andreas Speit
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