Menschenrechte

Schwarze Menschen sind in Deutschland regelmäßig mit Diskriminierung konfrontiert. Das bestätigt nun auch ein UN-Bericht

„Der Staat muss sich ein Rassismusverständnis erarbeiten“

Gesellschaft In Deutschland wird institutioneller Rassismus immer noch nicht anerkannt, sagt der Aktivist Tahir Della

Tahir Della

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55, ist aktiv bei der Initiative Schwarzer ­Menschen in Deutschland (ISD) und ist Promoter bei „Eine Welt Stadt Berlin“, wo er sich mit der Aufarbeitung deutscher Kolonial­geschichte beschäftigt

taz: Herr Della, Sie haben an dem Treffen einer UN-Delegation zur Situation schwarzer Menschen in Deutschland teilgenommen. Worum ging es?

Tahir Della: Der Besuch war Teil der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Abstammung. Dabei geht es um Strategien gegen die Diskriminierung schwarzer Menschen. In verschiedenen Städten haben sich die UN-Experten mit ihnen getroffen und darüber gesprochen, welche Formen von Rassismus für sie im Alltag eine Rolle spielen.

Und welche sind das?

Das ist natürlich unterschiedlich. Aber durch alle Beiträge, die auf dieser Versammlung gehalten wurden, zog sich eine Gemeinsamkeit: die Beobachtung, dass institutioneller Rassismus nicht anerkannt wird. Die Gesellschaft weigert sich, dies zu tun. Dabei erleben wir das täglich: auf dem Wohnungsmarkt, dem Arbeitsmarkt, im Bildungswesen und natürlich auch bei Polizei und Justiz.

Rassismus wird heute stärker thematisiert als früher. Warum, glauben Sie, ist die Lage noch immer so, wie Sie sie beschrieben haben?

Das zugrunde liegende Problem ist ein zu enges Rassismusverständnis. Vereinfacht gesagt ist die Haltung vieler Menschen heute so: Weil man sich bemüht, nicht rassistisch zu sein, sei man es auch nicht. Nicht intentionaler Rassismus wird ignoriert. Es wird so getan, als fände Rassismus einfach nicht mehr statt, nur weil der böse Wille zur Diskriminierung fehlt. Das hat man zum Beispiel auch an der Diskussion nach den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln gesehen.

Inwiefern?

Die Diskussion ging in die Richtung, dass schwarze Menschen es hinzunehmen hätten, dass sie rassistisch behandelt werden, wenn es eine solche Gefahrensituation wie am Hauptbahnhof entsteht. Oder dass es weiter Blackfacing …

… das herabsetzende Verkleiden als Schwarzer …

… im öffentlichen Raum gibt, etwa jetzt in der Karnevalszeit. Oder der Sprachgebrauch vieler Medien, der Menschen nach bestimmten Kategorien einteilt. Da werden ganz schnell Bilder abgerufen die rassistisch sind – trotz der Tatsache, dass heute durchaus viel mehr Menschen über Rassismus reden.

Das sind Dinge, die vor allem auf der Diskursebene liegen. Ist die das Hauptproblem?

Der Diskurs oder individuelle Verhaltensmuster stehen bei uns nicht im Vordergrund. In erster Linie ist der Staat in der Verantwortung, Rassismus in jeder Form zu bekämpfen. Die Voraussetzung dafür ist, dass er sich ein Rassismusverständnis erarbeitet, das über das bisherige hinausgeht. Nur so können die Institutionen verändert werden – und nur so kann man auf das Individuum einwirken und ihm klar machen, dass Rassismus keinen Platz in der Gesellschaft haben darf. Wenn die gesellschaftlichen Institutionen das nicht vorgeben, dann kann ich auch nicht erwarten, dass die Menschen sich ändern. Es muss klar werden: Rassismus schränkt das Leben schwarzer Menschen ganz massiv ein und führt im schlimmsten Fall zum Tod. Entsprechend muss er bekämpft werden.

InterviewChristian Jakob