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Erfolg von Podcast-SerienDie neuen Geschichtenerzähler

Subjektiv statt steif, prozess- statt ergebnisorientiert: Innovative Hörformate aus den USA verändern auch das deutsche Radio.

Wie kann man den Hörer fesseln? Foto: imago/Westend61

Dit – dit – didadida – dit – dit – didadida – diii. Zum dritten Mal an diesem Tag ertönt die Titelmelodie des Podcast „Serial“. Wer über Innovation und Erfolg beim Erzählen von Audio­geschichten redet, kommt an dieser Serie nicht vorbei. Das gilt auch dann, wenn der Deutschlandfunk zu einem Kongress zum Thema Audio-Storytelling nach Köln lädt, auf dem es darum geht, wie man Radio- und Podcast-Produk­tio­nen so modern und ansprechend macht, dass sie die Hörer fesseln.

Dabei liegt es nahe, in die USA zu schauen – dort werden nicht nur die Hörer stetig mehr, sondern auch die attraktiven Shows, die Werbeeinnahmen und die Podcast-Labels. Eine ganze Riege von Audiojournalisten hat sich dort inzwischen herausgeschält, deren radikal subjektive, konventionsbrechende und horizontal erzählte Produktionen sich vom traditionellen Radio unterscheiden.

Wie genau das geht? „Wir wissen auch nicht, was die geheime Zutat ist“, sagen Luisa Beck und Avery Trufelman, Autorin und Redakteurin beim erfolgreichen kalifornischen Design- und Architekturpodcast „99 percent invisible“. Sie verschweigen allerdings auch nicht, wie aufwendig, personal- und zeitintensiv der Produktionsprozess dieser so mühelos daherkommenden neuen Podcast-Serien ist – und vor allem wie wenig finanziell lukrativ für all die Freiberufler, die Geschichten dafür beisteuerten.

John Biewen, einst Reporter beim National Public Radio, heute Dozent an der Duke-Universität, betont: Auch in den USA habe die Entwicklung hin zu neuen, innovativen Audioformaten Zeit gebraucht: Innovative Köpfe hätten sich erst noch von eingefahrenen Radiomacher-Konventionen befreien müssen. Ira Glass etwa, der die erfolgreiche Show „This American Life“ seit zwei Jahrzehnten mit Gesellschaftsthemen und starken Erzählerpersönlichkeiten prägt, oder Jad Abumrad vom aufwendig montierten Wissenschaftspodcast „RadioLab“. „Diese Podcast haben auch uns andere befreit – uns ermöglicht, die Regeln zu brechen“; sagt Biewen.

Lockerer, natürlich-subjektiver Ton

Auch in Deutschland hat man sich an mutigere und aufwendigere Projekte gewagt. Nachdem „Serial“ 2014 endgültig den Erfolg einfuhr, den andere innovative US-Radioproduktionen längst gesät hatten, trauten sich hierzulande gleich mehrere öffentlich-rechtliche Sendeanstalten an Serien über Kriminalfälle und Sozialdramen. Ohne „Serial“ hätte es zum Beispiel die NDR-Serie „Ungeklärte Verbrechen im Norden“ nie gegeben, räumt Autorin Anouk Schollähn ein.

Sven Preger, Audio-Serienmacher für den WDR, hebt hervor, dass bei „Serial“ der Erkenntnisprozess im Zentrum stand, die Recherche so für den Hörer konsequent nachempfindbar gemacht wurde – statt, wie häufig im deutschen Radio, einfach das Ergebnis der eigenen Recherchen zu präsentieren.

In den USA haben sich radikal subjektive, horizontal erzählte Produktionen längst vom traditionellen Radio abgekoppelt

Immer und immer wieder geht es auf der Kölner Konferenz aber auch um den Erzählton. Man ist sich einig: Den Erfolg von „Serial“ habe der lockere, natürlich-subjektive Ton ausgemacht, die verbindliche Art, wie Macherin Sarah Koenig den Hörer an ihren Recherchen teilhaben und ihn immer wieder an Schuld oder Unschuld des Protagonisten zweifeln ließ. Also, einfach kopieren?

„Hätte ich das so gemacht, wäre das schrecklich gewesen“, so RBB-Journalist Phi­lipp Meinhold, der in den vergangenen Jahren zwei Audioserien produzierte: eine über den Mord an Burak B. in Berlin-Neukölln und eine über die Radikalisierung eines jungen Hamburgers, der für den „Islamischen Staat“ nach Syrien ging und dort ums Leben kam.

Andere sind da weniger zurückhaltend: Der Sendung „Einhundert“ von Deutschlandradio Wissen ist deutlich anzuhören, wie stark man sich dort an US-Vorbildern, vor allem „This American Life“, orientiert.

Geschichten zum Nacherzählen

Es scheint schwer zu sein, sich von erfolgreichen US-Strickmustern im Storytelling zu lösen. Droht dadurch Gleichförmigkeit? Ein Korsett, in das nicht jede Recherche passt?

Ingo Kottkamp, Redakteur beim Deutschlandradio Kultur, stellt den „Story-Imperativ“, das Erzählen als Sine qua non im Radio in Frage. Durch eine stark formatierte Ansprache der Hörer wie etwa bei „Serial“ werde es zwar leichter, Geschichten zu erzählen – sie drohten aber, sich zu verselbstständigen und den eigentlichen Inhalt an den Rand zu drängen.

Radiogeschichten, die man gern in einer Bar nacherzählen würde, seien zwar ideal. „Das sind die Geschichten, die zu erleben wir uns wünschen“, so Kottkamp. Das Problem sei nur: In solcher Reinheit ereigneten sie sich nicht. All das will Kottkamp hingegen nicht als Plädoyer gegen formatiertes Erzählen verstanden wissen. Ihm gehe es um mehr Vielfalt. Darum, nicht auf Rezepte zu vertrauen. Um den Versuch, eigene Geschichten zu finden.

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