„Tatort“ aus Bremen: Tödliche Nachtfahrten
Mörderische Autos gibt es in Filmen schon lange. Doch im Bremer Tatort dient das Fahrzeug nur als Symbol. Der wahre Schrecken liegt in der Familie.
Das Fahrzeug ist schwarz, es hat einen „Silent Mode“, der es unhörbar macht, es kann das Geräusch eines Sechszylinders simulieren und besitzt einen Enterhaken. Die Rede gilt nicht jenem Pontiac Firebird, der als K.I.T.T. weltberühmt wurde. In der TV-Serie „Knight Rider“ verfügte dieser über ein Bewusstsein, war schlauer als sein Herrchen und im Grunde seines künstlichen Herzens Humanist. Durch Bremen kreuzt K.I.T.T.s finsterer Vetter. Wohl nicht zufällig ein Pkw aus deutscher Fertigung. Der Luzifer unter den Wunderautos. Ein Todesengel.
Das Autorenteam Stefanie Veith und Matthias Tuchmann, der im November letzten Jahres verstarb und dem diese „Tatort“-Folge gewidmet ist, setzen beim Genrefilm an. Mörderische Autos, führerlose gar, getrieben von Sprit und Mordlust wie Stephen Kings „Christine“, sind seit Langem unterwegs. Aber auf diese Art von Horror wollen Veith, Tuchmann und Regisseur Florian Baxmeyer gar nicht hinaus; sie locken nur damit.
So visuell gelungen die tödlichen Nachtfahrten des abgedunkelten, geräuschlosen Vehikels sind, sie plätten nicht das eigentliche Thema des Films: Der Schrecken liegt in der Familie. Und er birgt, anders als in der trivialen Sparte, unermessliche Tragik.
Wer die schaurigen Taten begangen hat, ist nicht schwer zu erraten. Spannend gestaltet sich die Frage, ob und wie es gelingt, die Person beizeiten zu überführen. Ein Krimi mithin, der vom Publikum Einfühlung einfordert, der mehr bietet als säuberlich gereihte, wortreich erklärte Ermittlungsschritte. Formal ein Wagnis, wie Radio Bremen schon 2005 mit dem sträflich unterbewerteten „Tatort“-Beitrag „Scheherazade“ erfahren musste, der virtuos zwischen Illusion und Wirklichkeit schwebte und die Wahrheit der Fantasie der Zuschauer überließ.
Bremen-„Tatort“: „Nachtsicht“; So., 20.15 Uhr, ARD.
Das Bremer Team, das sich 2019 verabschieden wird, hatte echte Sternstunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!