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Nur von begrenzter Dauer

ARBEITNEHMER Knapp acht Prozent der Beschäftigten in Deutschland haben befristete Verträge. Bei Wissenschaftlern sind zeitlich beschränkte „Kettenverträge“ längst üblich

Illustration: dieKLEINERT.de

Von Hannes Koch

Wer eine neue Stelle antritt, wünscht sich meist einen festen, unbefristeten Arbeitsvertrag. Oft erfüllt sich diese Erwartung auch. Allerdings arbeiten mittlerweile fast 8 Prozent der Beschäftigten in befristeten Jobs. Nach mehreren Liberalisierungen während der vergangenen Jahrzehnte eröffnet das deutsche Arbeitsrecht den Firmen viele Möglichkeiten, Befristungen zu begründen. Worauf sollten ArbeitnehmerInnen achten, wenn sie etwas gegen ungerechtfertigte Zeitbegrenzungen unternehmen wollen?

Als Grund für Befristungen nennen Befürworter, dass Unternehmen auf dieser Basis schnell neue Beschäftigte einstellen. Schließlich fällt es ihnen leichter, sie wieder loszuwerden – ihr betriebswirtschaftliches Risiko ist geringer. Für viele Beschäftigte bedeutet eine Befristung dagegen aber mehr Unsicherheit. Gut 3 Millionen ArbeitnehmerInnen sind hierzulande in solchen Anstellungen tätig. Hinzu kommen etwa 1 Million Auszubildende und Praktikanten. Während 1991 noch 6,3 Prozent mit solchen Verträgen arbeiteten, waren es 2015 immerhin 7,8 Prozent. Wegen der guten Wirtschaftslage sinkt die Zahl aber seit 2011. Frauen haben öfter einen befristeten Job als Männer.

Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften (WSI) ist der Anteil der Befristeten unter jungen Leuten besonders hoch. In der Gruppe der 20- bis 24-Jährigen liegt er über 27 Prozent, bei den 25- bis 29-Jährigen hat ein Fünftel limitierte Verträge. Neben der Unsicherheit für die Zukunft kann das kann mit weiteren Nachteilen verbunden sein. Denn mitunter betrachten die Arbeit­geber solche MitarbeiterInnen als Arbeitnehmer zweiter Klasse, weshalb ihre Bezahlung nicht selten nur im Bereich des Mindestlohns liegt. Martin Schulz (SPD) versprach darum gerade, dass er als Kanzler gegen befristete Jobs vorgehen wolle, und er kündigte an, die Möglichkeit der „sachgrundlosen Befristung“ von Arbeitsverträgen abzuschaffen.

Derzeit dürfen laut Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Arbeitsverträge bei Neueinstellung noch ohne sachlichen Grund pauschal bis zu zwei Jahre befristet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen bieten sich sogar zusätzliche Optionen: Schließen Arbeit­geberverband und Gewerkschaft einen entsprechenden Tarifvertrag, ist eine sogenannte sachgrundlose Befristung auch bis zu 6 Jahren zulässig, entschied das Bundesarbeitsgericht im vergangenen Jahr. Bei WissenschaftlerInnen ist das Gesetz noch lockerer. Ihre Arbeitsverträge können bis zu insgesamt 12 Jahren immer wieder zeitlich begrenzt werden. Bei Medizinern reicht die Spanne sogar bis zu 15 Jahren.

Lang andauernde Abfolgen befristeter Anstellungsverhältnisse kennt man jedoch auch aus anderen Branchen. Denn sogenannte Kettenverträge sind dann möglich, wenn der Arbeitgeber einen plausiblen Grund für die Notwendigkeit der Befristung nennt. Viele Verfahren drehen sich vor Gericht deshalb um die Frage, ob die Begründung der Terminierung gerechtfertigt ist oder nicht. Wenn Beschäftigte Zweifel haben und eine entsprechende Klage vor dem Arbeitsgericht anstrengen wollen, wenden sie sich am besten an den Rechtsbeistand einer Gewerkschaft oder konsultieren einen Anwalt.

Wie in Paragraf 14 Absatz 1 des Gesetzes festgelegt, besteht ein wesentlicher Befristungsgrund darin, dass die Tätigkeit bei Abschluss des Vertrages absehbar nur von begrenzter Dauer ist. Gibt es Streit, muss das Unternehmen genau dies belegen. Ein mögliches Argument ist hier beispielsweise die vereinbarte Übergabe eines Gebäudes zu einem festen Termin, für das ein angestellter Architekt zuständig ist. „Für den Arbeitgeber wird es jedoch schwerer, eine Befristung zu begründen, je länger der betreffende Mitarbeiter schon im Unternehmen arbeitet und je häufiger die Befristung verlängert werden musste“, sagt Arbeitsrechtsanwalt Christoph Hildebrandt, der in der Kanzlei Hensche tätig ist. Wenn ein Beschäftigter 6, 7 oder 8 Jahre in der Firma gebraucht wird und die Befristung mehr als 2-mal verlängert wurde, kann dies ein Indiz dafür darstellen, dass die Arbeitsnachfrage eben nicht nur vorübergehend, sondern permanent vorhanden ist.

Über 27 Prozent der 20- bis 24-Jährigen haben befristete Arbeitsverträge

„Eine allgemeinverbindliche Höchstgrenze für Befristungen wurde bisher zwar nicht formuliert“, sagt Hildebrandt, „allerdings hat das Bundesarbeitsgericht 2013 zugunsten der Arbeitnehmerseite entschieden, dass ab einer gewissen Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und einer gewissen Anzahl von Verlängerungen des Befristungszeitraumes eine Missbrauchskontrolle vorgenommen werden muss.“ Dabei bleibe jedoch unklar, ab welcher Anzahl von Befristungen oder welcher Gesamtdauer genau eine Befristung als rechtsmissbräuchliche Kettenbefristung gilt, so Hildebrandt.

Zum Beispiel hat das Bundesarbeitsgericht eine über 11 Jahre andauernde befristete Beschäftigung, die 13-mal verlängert wurde, als rechtsmissbräuchlich eingestuft. In einem anderen Fall wies das Bundes­arbeitsgericht die Klage einer Arbeitnehmerin, die über eine Gesamtdauer von 7 Jahren und 9 Monaten beschäftigt wurde und deren Befristung 4-mal verlängert wurde, aber ab.

Hat man Zweifel, ob eine Befristung wirksam ist, sollte man gerichtlich überprüfen lassen, ob der Sachgrund im jeweils letzten Arbeitsvertrag zutraf. Entscheidet ein Arbeitsgericht gegen die Firma, wird aus dem befristeten ein unbefristeter Vertrag. Zu beachten ist, dass ArbeitnehmerInnen eine Frist von drei Wochen einzuhalten haben, die grundsätzlich mit Ablauf des Befristungszeit­raumes beginnt.

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