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Kandts Rolle rückwärts

NEUER POLIZEIPRÄSIDENT

Die widerborstigen Einsatzkräfte bekommen anscheinend einen ranghohen Bündnispartner

Vor die Mikrofone tritt ein Mann mit geröteten Wangen, der etwas verunsichert wirkt. Nach seinem neuen Job gefragt, äußert er vage Vorstellungen, dazu noch auf Schwäbisch. Dann fällt der entscheidende Satz: Es gebe Polizeieinsätze, bei denen die individuelle Kennzeichnung der Beamten „nicht so optimal ist“, sagt Klaus Kandt.

Der bisherige Chef der Berliner Bundespolizei ist als neuer Polizeipräsident ausgesucht worden, am Dienstag stellte der Senat ihn vor. Der Öffentlichkeit war der 52-Jährige bis dato wenig bekannt. Fast alles, was über ihn vorab geschrieben wurde, beruhte auf dem Hörensagen. Klar war immerhin: Der Mann, der die 22.000-Mitarbeiter-Behörde anführen soll, besitzt ein CDU-Parteibuch. Vehement verwahrt sich Innensenator Frank Henkel indes gegen Vorwürfe, sein Kandidat sei dementsprechend eine Parteibuchlösung.

Die Pflicht zur individuellen Kennzeichnung von Polizisten im Einsatz hatte der vorige Polizeipräsident Dieter Glietsch gegen hartnäckigen Widerstand in der Behörde eingeführt – einer Behörde, die vor seinem Antritt im Jahr 2002 als Prügeltruppe verrufen war. Von einer modernen, bürgernahen Polizei könne erwartet werden, so Glietsch, dass sie der Bevölkerung mit offenem Visier gegenübertrete. Auch Vizepräsidentin Margarete Koppers, die die Behörde seit anderthalb Jahren kommissarisch leitet, stand für diese Linie der Transparenz.

Die geschlossenen Einheiten haben nie verwunden, dass Glietsch ihnen die Kennzeichnung aufdrückte. Anhand von Einsatzfotos hat die Piratenpartei unlängst belegt, dass es ständig Versuche gibt, die Anordnung zu unterlaufen. Es scheint, als bekämen die widerborstigen Einsatzkräfte nun einen ranghohen Bündnispartner.

Es war nur ein Satz, den Kandt bei seinem ersten Auftritt sagte. Aber er könnte eine Zeitenwende bedeuten: nicht vor, sondern zurück. PLUTONIA PLARRE

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