piwik no script img

Basketball Alba Berlin dominierte lange Jahre die Bundesliga. Doch sportliche Dominanz ist mittlerweile im Süden angesiedelt. Und Alba? Ist im Final Four jetzt nur AußenseiterDie Körbe hängen zu hoch

Am Erfolg geblockt: Albas Radosavljevic (r.) kommt nicht zum Treffer Foto: imago

aus Berlin David Joram

„Shame on!“, schrie ein besonders frustrierter Fan auf der Tribüne, so laut, dass er sogar all die vielen Pfiffe übertönte. Es war Mittwochabend, 20.45 Uhr. In der mit 7.269 Zuschauern eher leeren als gefüllten Arena am Berliner Ostbahnhof trotteten etwas weiter unten ein paar große Menschen in gelben Trikots übers Hallenparkett. Die Köpfe gesenkt, die Blicke abwesend. Berlins Basketballer, jene stolzen Albatrosse, die den Sport national einst nach Belieben dominiert hatten, wirkten wie geschröpfte Moorhühner. Sie hatten 29,7 Sekunden vor Spielende das 73:74 kassiert. Eine Heimniederlage gegen den Aufsteiger Jena.

Der Gästetrainer Björn Harmsen sagte wenig später: „Das ist ein unglaublicher Moment für uns als Klub.“ In seiner Mimik spiegelte sich noch die Verblüffung darüber, wie seine Spieler einen zwischenzeitlichen 20-Punkte-Rückstand wettmachen konnten. In seiner Stimme schwang ein gewisser So-etwas-hätte-es-hier-früher-nicht-gegeben-Ton mit.

Albas Coach Ahmet Çakı, gesprochen Tschaki, stellte fest: „Im dritten Viertel haben die Probleme bei uns begonnen. Das Team war nach dem Bayern-Spiel ziemlich unter Druck.“ Apropos Bayern: Die sind am Samstag ab 17 Uhr Albas Pokalhalbfinalgegner. Vor einer Woche fand das von Çakı erwähnte Ligaspiel statt, Ergebnis: 56:80. Alba traf kein einziges Mal von der Dreierlinie, ein Heimdesaster!

Während Bayern immerhin ein absolutes Topteam ist, steht der Zehnte Jena für maximalen Durchschnitt. Für was Alba steht, ist derzeit nicht ganz klar. Es deutet aber vieles darauf hin, dass der Abstand zur Spitze sich zunehmend vergrößert.

Das große B an der Spree – eines der sogenannten drei großen Bs im deutschen Basketball (Berlin, Bamberg, Bayern) – schrumpft auf Provinzniveau. Was um die Jahrtausendwende undenkbar schien, wird allmählich Normalität. Nach den sieben Meisterschaften zwischen 1997 und 2003 kam 2008 noch eine weitere hinzu. Seither findet eine Verschiebung der Machtverhältnisse im deutschen Basketball statt, zielen Bayerns oder Bambergs Werfer genauer als ihre Berliner Kollegen.

An diesem Wochenende steigt nun das Top Four in Berlin: Bamberg, Bayern, Ludwigsburg und eben Alba ermitteln bei diesem Turnier den deutschen Pokalsieger. Eigentlich ein schönes Event, sogar NBA-Star Dennis Schröder von den Atlanta Hawks hat sich angekündigt. Aber ausgerechnet jetzt durchläuft Alba eine Phase, die so frustrierend ist wie der Berliner Winter.

Mit der Abwesenheit des verletzten Point Guard Peyton Siva, der immer ein wenig zwischen wahnsinnig gut und wahnsinnig changiert, können vielleicht die letzten vier Niederlagen (Jena, Bayern, Bonn, Valencia) erklärt werden. Nicht aber der zunehmende Bedeutungsverlust in den letzten Jahren. Er hängt vor allem mit externen Faktoren zusammen.

Während Bayern München ein absolutes Topteam ist, steht der Tabellenzehnte Jena für maximalen Durchschnitt. Für was Alba steht, ist derzeit nicht klar

Ähnlich wie die Eisbären Berlin, bis 2013 die Top-Eishockeyadresse der Republik, steht Alba einer monetär wesentlich besser ausgestatteten Konkurrenz gegenüber. Der Tabellenzweite, die Brose Baskets Bamberg, verfügen über einen Gesamtetat von 18,5 Millionen Euro. Kenner des Bamberger Umfelds schätzen, dass davon 13 Millio­nen in den Spielerkader fließen. In München profitiert die Basketballabteilung des FC Bayern von den erfolgreichen Fußballern – auch wenn dies keiner zugeben möchte. Der Gesamtetat wird auf 16 Millionen Euro geschätzt, wovon ein Großteil direkt in den Profikader fließt. Albas Gesamtetat liegt bei rund 10 Millionen, allein 2,4 Millionen beansprucht schon das Jugendprogramm des Vereins.

Rund viermal so viel Geld verdienen Bayerns Basketballer gegenüber ihren Berliner Kollegen. Ein Blick auf die Transferaktivitäten der Münchner in den letzten Jahren zeigt, dass die Verkehrswege von Berlin in den Süden ziemlich beansprucht worden sind. Nihad Djedovic, Reggie Redding, Alex King und Bryce Taylor – gleich vier ehemalige Berliner Leistungsträger sind nun Lederhosenträger. Das freut den Basketballfan Uli Hoeneß, der zusammen mit Dietrich Mateschitz (Finanzier des Eishockeyklubs Red Bull München) eine größere Halle plant. Bayern bleibt hungrig, während Alba den Mangel verwalten muss.

Seit dieser Saison übt sich Ahmet Çakı darin. Er löste Saša Obradović ab, einen exzellenten, aber eben auch äußerst exzentrischen und autoritären Trainer. Çakı gilt als Gegenentwurf, ein Teamplayer, der über eine flache Hierarchie positive Ideen vermitteln soll. Von seinem Gelingen hängt ab, ob Alba zumindest wieder Spiele gegen Jena dominieren kann. Mehr scheint erst mal nicht drin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen