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Kaffee hilft

Kolumbien Die indigene Genossenschaft Cencoic baut in Cauca Kaffee an, ein Erfolgsmodell in einem umkämpfen Ambiente

Die Genossenschaft hat pro Jahr zwei Container nach Hamburg geliefert Foto: Ashley Gilbertson/VII/Redux/laif

von Knut Henkel

Winkend steht María Cecilia Valencia vor der Bodega, dem Lagerhaus und Treffpunkt der Kaffeebäuerinnen und -bauern der Stadt Caldonó. Langsam nähert sich der weiße Pick-up, bis Agrartechniker Hernán Castellano und Agronom Juan Carlos Guampe aussteigen und die quirlige Frau begrüßen. Doña Cecilia, wie sie respektvoll genannt wird, koordiniert die KaffeebäuerInnen und -bauern rund um die auf 1.800 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Kleinstadt. Gut 50 Kilometer nördlich von Popayán, der Hauptstadt der Provinz Cauca, liegt Caldonó – weit im Südwesten des Landes. Kaffee gehört zu den traditionellen Exportprodukten Kolumbiens und Cauca ist in den letzten beiden Dekaden zu einer der wichtigen Anbauregionen geworden.

„Wir bereiten uns gerade auf die Ernte vor, koordinieren die Arbeit, beraten die Bäuerinnen und Bauern, feilen an den Strukturen“, erklärt Doña Cecilia. Anfang März soll die Ernte starten und deshalb liegen in der Bodega nur ein paar Säcke Kaffee. In einem der Räume hat Doña Cecilia ihr kleines Büro, wo ein Laptop auf dem Schreibtisch steht, in das Erträge und Kaffeequalität der Bauern und BäuerInnen eingegeben werden. Doch dafür haben die beiden Kaffeespezialisten der Cencoic heute keine Zeit, es soll es ins Feld gehen, um sich einen Eindruck vom Fortschritt des Bioprojekts zu verschaffen.

Die Strategie geändert

„Die Nachfrage ist da. Wir haben auf den ersten Kaffeefarmen Kompost und Biodüngerstationen eingerichtet, setzten darauf, dass sich die Bauern in kleinen Gruppen zusammenschließen und kümmern uns nach der Übergangszeit um die Zertifizierung“, erklärt Juan Carlos Guampe. Gemeinsam mit Kollege Castellano ist der Leiter des Cencoic-Kaffeeprojekts regelmäßig in der Region unterwegs. Den Bioanteil an der Produktion wollen sie von derzeit gut zehn auf bis zu 40 Prozent steigern und Jaire Turibio, den sie heute besuchen, hat erst kürzlich umgestellt. Turibio ist Nachbar von María Cecilia Valencia und gemeinsam produzieren sie Biodünger und sind ganz zufrieden mit den Resultaten. Die jungen Pflanzen sind widerstandsfähig und nach den harten Jahren mit dem Kaffeerost, La Roya, geht es wieder aufwärts. Der Pilz hat zwischenzeitlich bis zu 90 Prozent der Ernte zerstört und anfangs haben fast alle Bauern zu einer resistenten Sorte namens Castilla gewechselt. Nun hat die Cencoic die Strategie geändert: „Wir haben uns anfangs an die Empfehlungen des nationalen Kaffeeverbandes gehalten. Allerdings waren wir mit der Qualität der Bohnen, dem Aroma und den Ansprüchen von Castilla nicht zufrieden“, erklärt Agrartechniker Castellano und fährt fort. „Nun empfehlen wir den Bäuerinnen und Bauern alte Kaffeesorten anzupflanzen und dem Bioanbau eine Chance zu geben“, sagt er. Dann geht er auf einen mit blauer Plane und Holzleisten gezimmerten Schuppen zu, in dem ein paar Fässer, Trichter und etwas Biomasse lagern. Zielstrebig öffnet er eines der Fässer und prüft den Biodünger, der auf Basis von Biomasse und Mikroorganismen entstanden ist. Zufrieden nickend geht er zu den Kaffeesträuchern, greift in den aufgelockerten Boden. „Das sieht gut aus“, lobt er und wirft noch einen prüfenden Blick auf die Blätter der Kaffeesträucher, die reichlich grüne Kaffeekirschen tragen.

Anfang März werden sie sich rot färben, dann wird ein paar Wochen lang geerntet. „Erst werden die Kaffeebohnen vom Fruchtfleisch befreit, dann gewaschen, getrocknet und in Säcke verpackt. Die produzieren wir selbst, aus den Fasern einer Agavenart“, erklärt Doña Cecilia lächelnd. Sie wirbt für die Umstellung – und Francisco „Pancho“ Medina ist ein potentieller Kandidat. Der 61-jährige Kaffeebauer, der nur ein paar hundert Meter entfernt von Jaire Turibio auf einer kleinen Finca an einem Hang lebt, ist einer, der experimentiert. Er wechselt Kaffeesorten, zieht Setzlinge und bietet sie zum Kauf an. Von seiner Farm, kann man weit in die Region blicken. Zwei, drei Hektar Fläche hätte er gern. Aber daran ist nicht zu denken, denn im Cauca konzentriert sich das fruchtbare Land in der Hand einiger Dutzend Familien. Die Bauern der Nasa, der größten indigenen Ethnie im Cauca, haben selten mehr als einen Hektar Anbaufläche.

„Wir Nasa müssen unser bisschen Land permanent verteidigen“, kritisiert der kantige Mann. Immerhin hat sich mit der 1980 erfolgten Gründung der Cencoic einiges zum Positiven verändert. In sechs der 42 Gemeinden des Cauca fördert die Cencoic den Kaffeeanbau, in anderen die Produktion von Quinoa oder Waldbeeren, die zu Saft verarbeitet werden. Kaffee ist jedoch die wichtigste Einkommensquelle und rund 2.100 Familien ernten derzeit unter dem Dach der Kooperative. Der wird dann sortiert, klassifiziert und vermarktet. Allein in Caldonó gehören 370 Familien zur Genossenschaft. Die hat in den letzten beiden Jahren je zwei Container nach Hamburg an das Kaffeekollektiv Aroma Zapatista geliefert und dieses Jahr könnte es mehr werden. Das schlägt sich positiv nieder, denn Bauern wie Medina erhalten deutlich bessere Preise als früher. Da wurde mangels Alternative an die Coyotes, die über die Dörfer fahrenden Zwischenhändler, verkauft. „Nun verkaufen wir an Cencoic und erhalten je nach Qualität des Kaffees unterschiedliche Preise. Ich bin zufrieden“, erklärt Medina. Der weiß auch das neueste Projekt der Cencoic zu schätzen: den Kaffee Áte-Sek. Ein Kaffee von und für indigene Gemeinden, denn der eigene Kaffee wird nur selten dort konsumiert, wo er produziert wird. Das soll sich im Cauca ändern und Ziel ist es die Wertschätzung für das eigene Produkt zu erhöhen. Das haben die Kaffee trinkenden Europäer wie Amerikaner, den Bauern im Cauca noch voraus.

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