Bund-Länder-Treffen: Neue deutsche Härte
Die Bundeskanzlerin will eine schnellere Abschiebung von Migranten. Am Donnerstag trifft sie die Länderchefs. Dort herrscht teils Skepsis.
Berlin taz | Mehr und schnellere Abschiebungen! Das ist das Ziel, auf das Angela Merkel an diesem Donnerstag in Berlin die MinisterpräsidentInnen der Länder verpflichten will. Es bedürfe „einer nationalen Kraftanstrengung, um zusätzliche Verbesserungen in der Rückkehrpolitik zu erreichen“, heißt es in einer Beschlussvorlage, die die Bundeskanzlerin den LänderregierungschefInnen vorgelegt hat.
In den nächsten Monaten werde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) „fortlaufend eine hohe Zahl von Asylanträgen von Personen ablehnen, die keines Schutzes in Deutschland bedürfen“. Um dies umzusetzen, enthält der 16-Punkte-Plan, der der taz vorliegt, eine ganze Reihe von „Maßnahmen, um die Zahl der Rückführungen und freiwilligen Ausreisen zu erhöhen“.
Dazu gehört, dass „Asylsuchende, die voraussichtlich keinen Anspruch auf Schutz in Deutschland erlangen werden“, nicht mehr dezentral in Kommunen untergebracht werden sollen. Präferiert wird die Unterbringung von „vollziehbar Ausreisepflichtigen“ in „zentralen Ausreiseeinrichtungen“. Außerdem sollen sich die Länder verpflichten, „eine ausreichende Zahl von Abschiebungshaftplätzen in räumlicher Nähe von zentralen Ausreiseeinrichtungen oder in anderen Abschiebehafteinrichtungen“ bereitzustellen.
Darüber hinaus will der Bund prüfen, „ob und inwieweit er eine ergänzende Vollzugszuständigkeit bei der Aufenthaltsbeendigung übernehmen kann“. Einen „Mehrwert“ könnten „insbesondere Bundesausreisezentren schaffen“.
Ausreisezentren und mehr Verantwortung für den Bund listet das Papier auf
Um „eine Steigerung bei Rücküberstellungen in andere EU-Mitgliedstaaten zu erreichen“, soll das Bamf den Personaleinsatz im „Dublin-Bereich“ deutlich erhöhen.
Auch das Verfahren, mit dem Ärzte die Reisefähigkeit vor einer Abschiebung feststellen, soll „mit dem Ziel einer Beschleunigung verbessert werden“, beispielsweise durch den vermehrten Einsatz von AmtsärztInnen.
Bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern
Innerhalb von drei Monaten soll ein „gemeinsames Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr (ZUR)“ eingerichtet werden, das „der operativen Abstimmung zwischen Bund und Ländern zu Rückkehr- und Rückführungsfragen, beispielsweise im Rahmen von Sammelrückführungen, dient“.
Die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise soll durch die Erhöhung der Mittel für Rückkehr- und Reintegrationsprogramme gefördert werden. Insgesamt will der Bund 90 Millionen Euro zusätzlich dafür einsetzen. „Die Förderung wird höher ausfallen, je früher sich ein Betroffener zur freiwilligen Rückkehr entscheidet“, heißt es in dem Papier des Bundeskanzleramts. Um keine „Fehlanreize“ zu geben, sollte sie jedoch „in jedem Fall geringer ausfallen“ als die Höhe der finanziellen Mittel, die zur Einreise nach Deutschland aufgewendet werden müssten.
„Die Bürger haben die berechtigte Erwartungshaltung, dass Menschen, bei denen klar ist, dass sie kein Aufenthaltsrecht besitzen, Deutschland verlassen müssen“, begründete die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in der Bundespressekonferenz den Vorstoß.
Der Thüringer Staatskanzleichef Benjamin Hoff (Linkspartei) teilte der taz mit, Thüringen begrüße, dass der vorliegende Beschluss für eine stärkere freiwillige Rückkehr eintrete, die menschenwürdiger sei. Auch die bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern sei zu begrüßen. „Viele der genannten, vor allem repressiven Maßnahmen sind allerdings kaum geeignet, die Zahl der Rückkehrer tatsächlich zu erhöhen“, so Hoff. Sie gingen „an der Praxis vorbei oder sind schwer umsetzbar.“
Nach Angaben des Bundesinnenministerium leben derzeit gut 200.000 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland, davon rund 150.000 mit Duldung.
Leser*innenkommentare
Urmel
Wären diese Forderungen nicht von Angela Merkel aufgestellt worden, sondern z. B. gleichlautend von Sahra Wagenknecht, hätten sich unter diesem Artikel bestimmt dreißig bis fünfzig Kommentare angesammelt, in denen deren Urheberin heftigst attackiert worden wäre (inklusive der Empfehlung, möglichst bald in die AfD zu wechseln).
Was ist die Ursache für das heutige ach so laute Schweigen Vieler? Betroffenheit, dass man so lange aufs falsche Pferd gesetzt hat? Oder hat man noch keine halbwegs logisch klingende Rechtfertigung für die sich immer weiter der AfD nähernde Kanzlerin gefunden?
Friedrich Grimm
Welch eine Verlogenheit seitens unserer Frau Bundeskanzlerin. Eine Wortschöpfung jagt die andere, um die Unmenschlichkeit aber auch die Hilflosigkeit zu übertünchen. Genauer gesagt: außer Aktionismus ist in dem Handeln der Politik kein vernünftiges Schema zu erkennen.
Will Frau Merkel nicht schon lange die Fluchtursachen bekämpfen? Doch dazu sind keinerlei Ansätze erkennbar.
amigo
Wie wäre es denn - statt schnellerer Abschiebung von Schutzsuchenden - mit einem Abenteuerurlaub für AfD und die anderen Braunen Vollpfosten, in einem Schlauchboot auf dem offenen Mittelmeer?
Georg Dallmann
Sehr geehrte Frau Lehmann,
was sie als "neue deutsche Härte" bezeichnen, ist der Vollzug GELTENDER GESETZE.
Was bitte soll daran "HART" sein?
Jens Frisch
@Georg Dallmann Das "harte" daran ist, dass diesmal bestehende Gesetze angewendet werden sollen gegen die, die noch nicht solange hier sind.
571 (Profil gelöscht)
Gast
"Was bitte soll daran "HART" sein?"
Für SIE wahrscheinlich gar nix.
571 (Profil gelöscht)
Gast
Meint die taube Haselnuss, wer Braun verhindern will, muss selbst mindestens schwarz-braun sein?
Ein maximal opportunistischer und moralischer Niedergang in jeder Beziehung.
Lowandorder
"....Nach Angaben des Bundesinnenministerium leben derzeit gut 200.000 ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland, davon rund 150.000 mit Duldung."
D.h. - wenn ich mich nicht sehr irre - könnten derzeit maximal 50.Ts. abgeschoben
werden. Daß sich an dieser Relation nach haltig etwas ändert - ist nicht erkennbar;
angesichts der Entwicklung Türkei - dürfte eher ein Sinken der 2. Zahl in Relation zu erwarten sein.
Dann allerdings dürfte - "„Die Bürger haben die berechtigte Erwartungshaltung, dass Menschen, bei denen klar ist, dass sie kein Aufenthaltsrecht besitzen, Deutschland verlassen müssen“, begründete die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in der Bundespressekonferenz den Vorstoß. .."
Mal wieder eine von den dreisten Sack/Esel-Hau-Nummern sein.
Gemeint ist mal wieder - als gemeinter Esel - Fischen am rechten Rand -
In der tiefbraunen Soße der AfD-Trübgewässer.
Schlicht ein weiterer erbärmlicher Fall von bekannter TINA-Merkelscher-Nichtpolitik.
Urmel
Irgendwie verrutscht der Heiligenschein dieser Kanzlerin immer mehr....
571 (Profil gelöscht)
Gast
Wo soll denn der bisher gewesen sein?
Das waren doch immer nur diese Pressefotos mit Kronleuchtern im Hintergrund...
lulu schlawiner
Es bedürfe „einer nationalen Kraftanstrengung, um zusätzliche Verbesserungen in der Rückkehrpolitik zu erreichen“, heißt es ..... Was für eine Kraftanstrengung soll den vom Bürger gebracht werden? Immerhin zahlt er Steuern um die Beamten zu finanzieren die dafür zuständig sind. Da hat doch Gretchen Meier auf der Straße nichts mit zu tun. Die Anträge sind abgelehnt worden und nun hat alles seinen Lauf zu nehmen. Was ist daran so schwer?
81331 (Profil gelöscht)
Gast
Oh bitte nicht schon wieder, es bedarf "einer nationalen Kraftanstrengung". Alles so "alternativlos" hier, in diesem Land.