: Zacken da, Zacken weg
Verdrängung Die Metallzacken, die Trinker am Hauptbahnhof vertreiben sollten, kommen wieder weg
Ulrich Hermannes, Stadtmission
Die Bahn rudert zurück. Nur wenige Tage ist es her, da versah sie am Hauptbahnhof eine Mauer vor der Sicherheitswache der Polizei mit Metallzacken, um Trinker und Obdachlose zu vertreiben. Da es zahlreiche Beschwerden wegen „Vermüllung und Pöbeleien“ gegeben habe, habe sich die Bahn entschlossen, die Zweckentfremdung des Wegs baulich zu unterbinden, begründete eine Bahnsprecherin dem Straßenmagazin Hinz & Kunzt Ende vergangener Woche das Vorgehen.
Gestern erklärte Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis auf taz-Anfrage, „die Metallzacken werden zeitnah demontiert“. Im Alleingang hatte die Bahn auf die Mauer, auf denen Passanten mangels anderer Sitzgelegenheiten verweilen konnten, eine Metallschiene mit spitzen Zinken montiert. Allerdings ohne diese bauliche Maßnahme mit dem Bezirksamt Mitte abzustimmen. „Das ist suboptimal gelaufen“, sagt Bezirksamtssprecherin Sorina Weiland. „Aber nun kommen sie ja Gott sei dank wieder weg.“
Einig sind sich das Bezirksamt und die Bahn allerdings darüber, dass sich am Hauptbahnhof etwas verändern muss: „In bestimmten Bereichen stinkt es nach Urin und viele Leute fühlen sind verängstigt von den Alkoholisierten“, sagt Weiland. Deshalb haben der Bezirk, die Polizei und die Bahn im letzten Herbst Maßnahmen diskutiert, mit denen das Sicherheitsgefühl der Reisenden erhöht werden soll.
Dass die Bahn am Hauptbahnhof Betrunkene und Obdachlose vertreibt, hat in Hamburg Tradition: Seit Oktober 2012 hat die damals noch allein regierende SPD dem Unternehmen die Hoheit über die überdachten Vorplätze und Tunnel übertragen. Seither verscheucht der DB Sicherheitsdienst Leute, die unter den Dächern Schutz suchen.
„Es gibt 19 Hilfseinrichtungen rund um den Bahnhof“, sagt die Bezirksamtssprecherin. Alternativen seien also vorhanden. Ulrich Hermannes, Geschäftsführer der Stadtmission, sieht das anders. Die Tatsache, dass sich am Hauptbahnhof Obdachlose aufhielten, sei Ausdruck einer verbesserungswürdigen Situation. „Soziale Probleme löst man nicht mit Zacken, sondern dadurch, dass man für die Menschen Alternativen schafft, wo sie sich aufhalten können“, sagt er. „Die Stadt muss mehr für diese Leute tun.“ Lena Kaiser
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