Flüchtlingsheim angezündet: Für die Neonazis wird es ernst
Im Prozess um eine Serie rechtsextremer Straftaten in Nauen inszenierten sich die Angeklagten als harmlose Underdogs. Kommende Woche soll das Urteil fallen.
Maik Schneider kann sich das Grinsen nicht verkneifen. Richter Theodor Horstkötter will gerade mit den Plädoyers beginnen. Doch da stellt Schneiders Verteidiger bereits einen weiteren Beweisantrag, die Kammer muss die Verhandlung erneut unterbrechen. Und Schneider freut sich wie ein Schuljunge, der seinem Lehrer einen Streich gespielt hat.
Maik Schneider, ein athletischer Endzwanziger mit kantigen Gesichtszügen, ist einer der führenden Köpfe in der Brandenburger Neonazi-Szene. Kenner der Szene beschreiben ihn als „Möchtegern-Führer mit Hang zum Konspirativen“. Seit mehr als zwei Monaten läuft der Prozess gegen ihn und fünf weitere Angeklagte vor dem Potsdamer Landgericht. Am Montag sollen die Verteidiger ihre Plädoyers vortragen. Noch in der kommenden Woche wird das Urteil erwartet.
Die sechs Angeklagten sollen für eine Serie rechtsextremer Übergriffe verantwortlich sein, die das brandenburgische Nauen im Jahr 2015 in Aufruhr versetzte. Der Brandanschlag auf eine Turnhalle am 25. August 2015, in der wenig später 100 Geflüchtete einziehen sollten, brachte die Stadt mit 17.000 Einwohnern in die überregionalen Schlagzeilen. Der Bürgermeister von Nauen, Detlef Fleischmann (SPD), sprach damals von „Terrorismus“. Die Täter hätten versucht, die Stadt in Angst und Schrecken zu versetzen.
Auch die Generalbundesanwaltschaft prüfte den Terrorverdacht. Eine Anklage wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung wies sie jedoch ab, da die Taten den Staat „nicht erheblich schädigen“ würden, so ein Sprecher.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Maik Schneider und fünf weitere Angeklagte waren aber auch so schwerwiegend: Bildung einer kriminellen Vereinigung „mit dem Zweck, Straftaten mit ausländerfeindlichem Hintergrund zu begehen“, Sachbeschädigung in diversen Fällen, schwere Brandstiftung.
Den gravierendsten Anklagepunkt gestand Maik Schneider bereits am ersten Prozesstag Ende November: Er allein sei verantwortlich dafür, dass am 25. August 2015 die Nauener Turnhalle komplett niederbrannte, ein „Unfall“ sei es gewesen. Er habe die Halle nur „einrußen“ wollen, um ein Zeichen gegen die deutsche Flüchtlingspolitik zu setzen.
Durch den Brandanschlag entstand ein Schaden von 3,5 Millionen Euro. Im Verlauf des mittlerweile zwei Monate dauernden Prozesses räumten die anderen Angeklagten ihre Beteiligung an der Tat ein und übernahmen die Verantwortung für weitere Straftaten.
Nur einen Vorwurf stritten sie vehement ab: die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Vor Gericht zeigten sich die Angeklagten unpolitisch, aber beeinflussbar; traurige Existenzen am Rand der Gesellschaft, mit Unterhaltsschulden und Drogenproblemen.
Einen rassistischen Hintergrund sollen die Straftaten nicht gehabt haben. Stattdessen stellten die Angeklagten die Übergriffe als Einzeltaten dar, die im Rausch oder aus Wut über die eigenen Verhältnisse begangen worden seien – beinahe zufällig. Maik Schneider, der als Rädelsführer der Gruppe angeklagt ist, inszenierte sich als harmloser Lokalpolitiker, dem es um soziale Gerechtigkeit geht.
Dabei sind die Angeklagten alles andere als unbescholten. Maik Schneider ist dem Verfassungsschutz seit zehn Jahren als „Rechtsextremist mit einem gefestigten nationalistischen, rassistischen Weltbild“ bekannt. Schneider ist in der Brandenburger Kameradschaftsszene gut vernetzt. Seit 2008 saß er für die NPD im Nauener Stadtparlament.
Ein weiterer Angeklagter wurde bereits vor elf Jahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe verurteilt: Die Nauener Neonazi-Gruppe „Freikorps“ hatte 2003 eine Serie von Brandanschlägen auf von Migranten betriebene Imbisse im Havelland verübt.
Im Gerichtssaal versucht Schneider immer wieder, die Verhandlung durch absurde Beweisanträge zu sabotieren. Bevor die Strafkammer sich an diesem elften Prozesstag zur Beratung zurückzieht, lehnt der Vorsitzende Richter Horstkötter eineinhalb Stunden lang rund 30 Beweisanträge der Verteidigung ab. Ob es in der Nacht der Brandstiftung geregnet habe, sei für die Urteilsfindung ohne Bedeutung. Ebenso wie der Zeuge, der belegen soll, dass Maik Schneider in der Schule ein antirassistisches T-Shirt getragen habe.
Anfang Januar hatte Staatsanwalt Nils Delius gar den Anklagepunkt der Bildung einer kriminellen Vereinigung fallen gelassen – zur Beschleunigung des Verfahrens. Die Beweisaufnahme sei schwierig, die Aussicht auf Erfolg aufgrund der Aussagen der Angeklagten gering, erklärte Delius am Rande der Verhandlung.
Dennoch scheint die Strategie von Maik Schneider, den Prozess zu blockieren, nicht aufzugehen: In seinem Plädoyer hebt Staatsanwalt Delius die politische Dimension der Straftaten hervor und fordert knapp neun Jahre Haft für Maik Schneider – beinahe die Höchststrafe also, die bei zehn Jahren liegt. Ein weiterer Angeklagter soll für acht Jahre und drei Monate in Haft.
Die rechtsextreme Gesinnung müsse bei allen Angeklagten strafverschärfend berücksichtigt werden, sagt der Staatsanwalt. „Taten wie diese müssen konsequent geahndet werden“, so Delius. Die Angeklagten hätten „ein Zeichen des Hasses, der Fremdenfeindlichkeit und der Hartherzigkeit gesetzt“. Man darf gespannt sein, ob das Gericht dieser Argumentation folgt.
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