: Die guten Dinge sind grün
Der neue Manufactum-Katalog preist das Ambiente einer schwarz-grünen Utopie
Die Aura dieser Warenwelt verkörpert das entschlossene Gegenteil zu allem, wofür Labels wie H & M, Lidl oder Ikea stehen. Manufactum – vier Silben, die ersten beiden in Grün, die letzten in fahlem Grau gehalten – ist programmatisch umschlossen in dem Satz: „Es gibt sie noch, die guten Dinge.“ Mehr ein seufzendes Bekenntnis denn ein gut gelauntes Motto, in ihm aller Kummer an einer schnelllebigen wie warenzirkulierenden Welt geborgen, die ihren kältesten und selbstbewusstesten Ausdruck in dem Spruch von Mediamarkt fand: „Geiz ist geil.“ Nein, das Versandhaus aus dem Ruhrgebiet, das sich auf einem alten Zechengelände in Waltrop angesiedelt hat, spricht über Geld in einer Form, die das Sparen nicht mitdenkt. Oder wenn, dann in der Form, dass gute Produkte teurer sind – aber länger halten, deshalb am Ende doch … nein, nicht billiger, sondern günstiger sind.
Der frühere Buchhändler Thomas Hoof hat den inzwischen zum Konzern mutierten Laden seit den Achtzigerjahren zu einer Trutzburg des gediegeneren Geschmacks gemacht. „Es gibt nichts Gutes, das nicht irgendjemand ein bisschen billiger machen könnte“, zitiert er im Sinne seiner Idee den englischen Schriftsteller John Ruskin. Kein Zufall, dass die kritische Tradition von Manufactum just im britischen Königreich des vorvorigen Jahrhunderts wurzelt: Es war das Jahrhundert der Industrialisierung, die, wie Karl Marx analysierte, durch die Verdichtung von Fertigungsprozessen den Stand der Handwerker mehr und mehr unter Druck setzte: Manufakturarbeit war, damals auch schon ein Prozess der Globalisierung, immer teurer – und war, in Form jeder Ware, nur noch für die Wohlhabenden zu erwerben. Denn Handwerk hat seinen Preis – den von anständigen Löhnen beispielsweise.
Insofern ist Manufactum ein Warenhaus, das der Antiglobalisierungsbewegung von wertkonservativer Seite Mahnung und Stütze gibt: Kein Wunder, Gründer Hoof macht kein Geheimnis aus seiner grünen Zuneigung. Die ganze Idee atmet die Haltung: Die Welt wird immer entfremdeter, gute, solide, schöne Handwerksarbeit hat immer geringere Bedeutung, die Waren sind immer ramschhafter, alles ist im Fluss – aber wir stehen im steinigen Flussbett und trotzen den Gischten. Manufactum ist nichts weniger als jedes andere Geschäft, das sich auf Sonderangebote spezialisiert hat.Dabei bietet Manufactum, dessen wuchtiger Katalog in diesen Tagen in mehrere hunderttausend Haushalte verschickt wurde, wirklich keinen Artikel, der nicht elaboriert gepriesen wird. Ob der Manschettenknopf, das Rasierwasser, die Gartenschere oder die Kehrbürste: Alle werden sie handwerkerstolz in ihrer Materialhaftigkeit geschildert, analysiert und für Wert befunden, sie im Sortiment zu führen. Immer scheint es, als luge aus allen Skizzen eine Traurigkeit hervor: Lest es, denn so viel lässt sich wirklich über die Arbeit eines Menschen, über seine Liebe zum gelingenden und gelungenen Produkt sagen. Das ist eine Welt, in der man abends nicht auf die Frage zum Arbeitstag („Wie war‘s?“) antwortet: „Wie immer.“ Eintönig – und produktfern, entfremdet also, das Synonym in unseren Kreisen für depressiv stimmende Kühle und Distanz.
Manufactum hingegen ist auch ein Protest gegen das Grelle, überhaupt gegen alles Trashige. Keine Farbe, die in den Augen bisse, nichts, was im Gemüt unappetitlich wirkt: reizlos zwar, aber erlesen, erarbeitet, alle Mühe wie Liebe in sich tragend. Kritiker meinten, dieses Warenhaus sei eine Erinnerung an Oma und Opa – was zutreffend ist, auch wenn es böse gemeint war: Die Großeltern wussten, so die Fantasie ihrer Enkel, schon, wie schön Dinge sein können.
Ihre Klage ging und geht ja so, dass aus heutiger Fertigung nichts mehr von Belang ist, kein Knopf am Hemd, der noch handgenäht, kein Holz, das akkurat verleimt wurde, um einen Schrank oder ein Bett zu werden – alles Furnier, blanke Oberfläche, darunter raspeliger Späneramsch.
Zwar war kaum ein Artikel aus dem Waltroper Warenhaus einst wirklich eine Preziose, aber Manufactum lebt ja, wie jede Bewegung, die im bürgerlichen Gestern wurzelt, von der Trostlosigkeit im Heutigen. Deshalb sollen die „guten Dinge“ ja auch nicht alle erwerben können: Der feine Unterschied bliebe nicht gewahrt. Der „Warenkatalog Nr. 18“ ist eine perfekte Lektüre für schwarz-grüne Utopien, die zur weltlichen Wahrheit werden, gewiss.
Wer sagt, alles dort sei teuer und wenn sich so viele diese Produkte leisten können, ohne arm zu werden, kann es um Deutschland nicht so bitter stehen, hat das Prinzip Manufactum nicht verstanden: Wohlhabenheit ist ihren Trägern doch kein Gegenbeweis zur Krise als solcher – sie nehmen sie als Zeichen von Distinguiertheit, die sich nicht mit Moden aufhalten möchte. JAN FEDDERSEN
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